Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Energiepolitik
Bielefeld (ots)
Es kann sein, dass derjenige, der mit ganzer Kraft die Energiewende will, auf dem Weg schon mal die eine oder andere Kurve nehmen muss. Dennoch überrascht das Tempo, mit dem NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft gerade in eine Kurve hineinsteuert. Obwohl in Düsseldorf Chefin einer Koalition mit den Grünen, bringt die SPD-Vizechefin die Idee des langsameren Umstiegs in die Berliner Koalitionsgespräche ein. Konkret fordert die Ruhrpöttlerin im Gleichklang mit ihrem Wirtschaftsminister Garrelt Duin Subventionen für Kohlekraftwerke. Das muss zu Problemen mit dem Koalitionspartner führen. Doch offenbar hat die wendige Kraft schon andere Prioritäten. Hintergrund ist wieder einmal das Verhalten der Energiekonzerne. Schon immer gab es Kraftwerke, die nur bei Bedarf hochgefahren werden. Irgendwann wird es dafür Wasser- und andere Energiespeicher geben. Bis dahin ist der Strom, der nur in Spitzenzeiten abgefragt wird, der teuerste. Der Branche aber ist er nicht teuer genug. Legt sie Kraftwerke still, bedroht das die Versorgungssicherheit. Normalerweise sollten Angebot und Nachfrage das Problem lösen. Doch die Marktwirtschaft galt auf dem Energiesektor schon nicht mehr, als von Atomausstieg und Energieeinspeisegesetz noch keine Rede war. Duin verbindet mit der Forderung nach neuer Subvention die Erwartung, dass den Kommunen, die Anteile an RWE halten, auf die Weise Geld in die leeren Kassen gespült wird. Mit der Energiewende hat das Argument nichts mehr gemein. Unklar bleibt, warum Kraft von Kohlestrom spricht, obwohl Gas umweltfreundlicher ist. Bezahlen wird statt des Stromkunden der Steuerzahler - also im privaten Bereich meist die gleiche Person. Die Furcht der Politiker vor dem Markt setzt sich in Brüssel fort. Statt den Siegeszug von Energiespargeräten erfreut zur Kenntnis zu nehmen und zu fördern, sollen Energieverschleuderer verboten werden. Sicher gibt es noch Verbraucher, die beim Erwerb von Staubsaugern oder anderen Hausgeräten nur auf Einkaufspreis oder Design und nicht auf Folgekosten achten. Doch lässt sich das Verhalten - wie beim Auto - besser mit Steuern als mit Verboten steuern. Kraft begründet ihre Energiewende mit der Sorge um Industrie und Jobs. Tatsächlich spielen in vielen Betrieben die Energiekosten eine zentrale Rolle. Dazu zählen neben Rohstoffproduktionen wie Aluminium und Stahl auch Fabriken, in denen unter dem Druck des globalen Wettbewerbs immer mehr Roboter, aber nur noch wenige Menschen arbeiten. Politik und Wirtschaft agieren vielfach mit Schlagworten und Halbwahrheiten. Klar geht es um Subventionen, aber bei konventionellen wie bei erneuerbaren Energien - mag EU-Kommissar Günther Oettinger in den Statistiken noch so viel herumfälschen! Und klar geht es um Jobs - aber auch in der Wind- und Solarindustrie. Nicht zu vergessen, geht es um Klima- und Ressourcenschutz. Was nützen Löhne und Gewinne, wenn sie zur Behebung von Katastrophenschäden eingesetzt werden müssen?
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