Westfalen-Blatt: Kommentar zum Tag der Arbeit
Bielefeld (ots)
Genau 100 Jahre ist es her, dass Deutschland erstmals den 1. Mai als nationalen Feiertag begangen hat. Seitdem hat der »Tag der Arbeit« eine wechselvolle Geschichte erlebt. Für die einen ist er ein Wohlfühltag geworden, an dem man bei schönem Maiwetter Sonne und Freizeit genießt. Für andere wird der 1. Mai immer ein Kampftag bleiben, an dem sie - wenigstens einmal im Jahr - ihr »Brüder zur Sonne, zur Freiheit« anstimmen. Daran gedacht, den 1. Mai zum »Tag der Vollbeschäftigung« umzubenennen, hat aber offenbar noch niemand. Zwar ist diese auch erst bei einer Arbeitslosenquote von unter zwei Prozent erreicht. Doch angesichts dessen, dass sich die Zahl seit 2005 in Deutschland von mehr als fünf auf 2,2 Millionen verringert hat, lohnt es sich, einen Augenblick innezuhalten und sich zu freuen. Am Arbeitsmarkt löst seit einiger Zeit ein Rekordtief das nächste ab. Manche glauben, die positive Entwicklung ließe sich einfach fortschreiben. Das könnte sich als Trugschluss erweisen. Die Schaffung neuer Arbeitsplätze ist kein Selbstläufer. Was die Konjunkturforschung betrifft, so warnt sie vor allem vor der Gefahr, die ein auf Handelsstreit gebürsteter US-Präsident für den Weltmarkt und die deutsche Exportwirtschaft heraufbeschwört. Hinzu kommt die Unsicherheit wegen des Brexit. Einzelne Branchen stecken in großen Umwälzungen. Das gilt aktuell insbesondere für die Autoindustrie, die Medien und Bankenwelt. Unterm Strich spricht zwar manches dafür, dass die zu erwartenden Jobverluste durch Digitalisierung, Künstliche Intelligenz und Robotik durch Gewinne an anderer Stelle ausgeglichen werden. Doch ist der Beweis dafür noch nicht erbracht. Nicht vergessen sollte man, dass eine weitere Million nicht arbeitslos gemeldet ist, weil sie gerade eine Fortbildung durchläuft. Es gibt, was die Arbeitslosenquote und darüber hinaus die Verfügbarkeit von Einkommen und Vermögen betrifft, regional weiter große Unterschiede. Nicht zuletzt bleibt die Eingliederung von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt eine Langzeitaufgabe. Gut, dass angesichts der robusten Konjunktur dafür Mittel bereitstehen. Und trotzdem: Bis zum »Tag der Vollbeschäftigung« werden noch einige »Tage der Arbeit« ins Land gehen.
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