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WESTFALEN-BLATT (Bielefeld): Kommentar zu Hanau

Bielefeld (ots)

Es ist entsetzlich: Elf Menschen tot, mehrere verletzt. Die Tat von Hanau macht fassungslos. Was mag in einem Menschen vorgehen, der sich zum Herrn über Leben und Tod aufschwingt, der wahllos wildfremde Menschen umbringt und auch vor der eigenen Mutter nicht Halt macht?

Ein Verrückter? Das muss man wohl annehmen, auch wenn die Informationen über den mutmaßlichen Täter noch nicht umfassend sind. Ein krudes Manifest, Gedanken über Geheimdienste, die die Gehirne von Menschen fernsteuern, dazu eine abstruse Furcht vor fremden Völkern: Das liest sich wie ein Musterfall aus einem psychiatrischen Lehrbuch. Da war kein kühl kalkulierender Terrorplaner am Werk, sondern ein rassistischer Wirrkopf.

Allerdings: ein Wirrkopf mit Waffe, für die er sogar ganz legal einen Waffenschein besaß. Warum das so war, müssen jetzt die Ordnungsbehörden klären. Angeblich hat der Täter seine Gedankenwelt schon im November vergangenen Jahres dem Generalbundesanwalt offenbart - in einer wirren "Strafanzeige". Wäre damals ein Blick ins Waffenregister geworfen worden, die Tragödie hätte womöglich verhindert werden können. Auf die beteiligten Behörden fällt jetzt zumindest ein Schatten.

Doch die Bluttat von Hanau hat ja nicht nur eine bürokratische Dimension, sondern auch eine gesellschaftliche. Und die reicht viel weiter. Woher rührt dieser unsägliche Hass auf alles Fremde, der sich ja offensichtlich auch beim Täter von Hanau Bahn gebrochen hat? Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hat es auf den Punkt gebracht: "Solche Wahnsinnstaten geschehen nicht im luftleeren Raum, sie wachsen in einem vergifteten gesellschaftlichen Klima."

Die AfD hat die Tat von Hanau verurteilt. Schnell und deutlich. Das enthebt die Partei und ihr Umfeld allerdings nicht der Verantwortung dafür, dass sie mit ihren Parolen der fortschreitenden Verrohung des politischen Diskurses Vorschub geleistet haben. Hass - und sei es der gezielt, fahrlässig oder auch nur stillschweigend geschürte - kann zur tödlichen Waffe werden. Das hat die Bluttat von Hanau erneut bewiesen - gerade einmal vier Monate nach den tödlichen Schüssen von Halle. Juristisch ist das nicht zu fassen. Allenfalls moralisch, falls dieser Begriff heute noch einen Wert hat.

In den sogenannten sozialen Medien wurde jedenfalls schon am Morgen nach dem Massaker munter weiter gepöbelt, gehetzt und krakeelt. Die Opfer von Hanau: Sie hätten ein bisschen mehr Respekt verdient.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 585-261
wb@westfalen-blatt.de

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