Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu den geplanten Streiks bei der Telekom
Bielefeld (ots)
Wenn der Telekom-Mann gar nicht klingelt, obwohl er doch eigentlich angekündigt gewesen ist, dann konnte das noch bis gestern am schlechten Service liegen. Von heute an liegt es vermutlich am Streik. Das Ergebnis ist für die Kunden dasselbe - und damit auch der Effekt für das Unternehmen: Noch mehr Festnetznutzer werden sich jetzt überlegen, ihren Vertragspartner zu wechseln. Das Management steckt in einer Zwickmühle. Altlasten aus der Zeit der Privatisierung vor zehn Jahren, darunter die Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung von derzeit noch 78000 Beamten, engen den Spielraum für Spartarife ein. Die Konkurrenz freut sich - und nutzt geschickt den Vorteil. Jeder Festnetzkunde, der T-Com den Rücken kehrt, mindert jedoch die Einnahmen des Konzerns und verstärkt das Problem. Weil Kai-Uwe Ricke es nicht lösen konnte, wurde René Obermann an die Spitze geholt. Offenbar hat er sich vorgenommen, den Gordischen Knoten allein durchzuhauen. Die Leitung zwischen Vorstand und Belegschaft liegt still. Man kann davon ausgehen, das die Beschäftigten um die prekäre Lage ihres Konzerns wissen. Jedenfalls haben sie in der Vergangenheit manchen Kompromiss getragen, um Kosten zu senken und gleichzeitig nicht noch mehr Kollegen in die Arbeitslosigkeit zu schicken. Die Reduzierung der Wochenarbeitszeit auf 34 Stunden ohne Lohnausgleich bedeutete für viele einen erheblichen Verzicht. Nun kommt der »Dobermann« - Obermann im Telekom-Jargon - und verlangt vier Gratis-Arbeitsstunden mehr plus eine neunprozentige Lohnsenkung. Selbst wenn er wollte: So mancher Servicemitarbeiter kann da kaum noch mit. Statt in einer solchen Situation wenn nicht schon einen Kompromiss, so doch wenigstens das Gespräch zu suchen, drohte Obermann den 50000 Mitarbeitern - immerhin fast jedem dritten Telekom-Beschäftigten. Die Quittung folgte jetzt: Mehr als 96 Prozent Zustimmung zum Streik sind selbst unter den Bedingungen, unter denen solche Urabstimmungen gewöhnlich stattfinden, eine schallende Ohrfeige. »Was an Qualen und Leid unser harrt«, klagt der Gefangenenchor eindringlich in Verdis Nabucco. Die Gewerkschaft Verdi wird trotz allem andere Töne anschlagen müssen. Zugegeben, zunächst ist Obermann dran, den Hörer in die Hand nehmen und für ein dringend notwendiges Gespräch ein neues Angebot vorzulegen. Dann aber besteht an beiden Enden der Telefonleitung die Pflicht zum Kompromiss. Unter einem langen Streik würden beide - Unternehmen und Mitarbeiter - leiden. Der Ruf der T-Com als Serviceunternehmen ist ziemlich ruiniert. Die Leiharbeiter und Fremdunternehmen, die nun als Streikbrecher gerufen werden, werden ihn kaum verbessern können. Um aus der Zwickmühle herauszukommen, gibt es für Europas größten Telefonanbieter nur einen Weg: bessere Angebote und mehr Service. Dann sind der Auszug der Kunden und das Wegbrechen der Einnahmen auch wieder zu stoppen.
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