Kölner Stadt-Anzeiger: Jesuit Klaus Mertes kritisiert geplante Entschädigung von Missbrauchs-Opfern
Köln (ots)
Köln. Der Jesuitenpater Klaus Mertes, der 2010 den Missbrauchsskandal in der deutschen katholischen Kirche öffentlich gemacht hatte, hält die geplante Opferentschädigung in sechsstelliger Höhe für problematisch. Mertes hält eine Finanzierung aus Kirchensteuermitteln für ausgeschlossen und warnt vor einem "Freikauf" der Kirche. "Ich gehe davon aus, dass die Bischöfe eine solche Regelung nicht in der Annahme beschließen, dass nun das Kirchenvolk finanziell in Mithaftung genommen wird", sagte Mertes dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Montag-Ausgabe). "Die Gläubigen, die keine Schuld an Missbrauch und Leitungsversagen haben, würden so zu sekundär Betroffenen des Missbrauchs", sagte Mertes. "Zudem könnte der fatale Eindruck entstehen, die Kirchenleitung kaufe sich auf Kosten des Kirchenvolkes frei: 'Wir zahlen, dann haben wir unsere Ruhe' - das darf auf keinen Fall passieren."
In der vorigen Woche hatten die deutschen Bischöfe auf ihrer Vollversammlung in Fulda Pläne für eine Opfer-Entschädigung in Höhe von jeweils bis zu 400.000 Euro diskutiert.
Mertes sagte, ihn störe das "Selbstlob, wenn Bischöfe sinngemäß sagen, die Kirche habe nun die großzügigste Regelung weit und breit zustande gebracht. Was werden die Heimkinder dazu sagen? Oder der Weiße Ring, der die Opfer von Gewaltverbrechen vertritt? Wie steht es mit der ökumenischen Solidarität? Was bedeutet es für das Staat-Kirche-Verhältnis, wenn die Kirche das etablierte Rechtssystem verlässt und sich dafür auch noch lobt?"
Vielen Betroffenen, so Mertes weiter, sei es noch wichtiger, dass die Kirche sich ändert, als dass sie zahlt - das gelte auch für Betroffene, die Zahlungen fordern. "Und eines sage ich ganz klar: Es soll kein Bischof glauben, all die Themen, die gerade auch das Verhältnis von Betroffenen und Kirche betreffen, wären erledigt, wenn das Geld geflossen ist!"
Der 65 Jahre alte Geistliche ist Rektor des von Jesuiten geleiteten Kollegs St. Blasien. Am Canisiuskolleg in Berlin legte er 2010 einen jahrzehntelangen Missbrauch von Schülern durch Angehörige seiner Ordensgemeinschaft offen und setzte damit die Aufdeckung des Missbrauchsskandals in der deutschen katholischen Kirche in Gang. Mertes war auch einer der ersten, die von strukturellen Ursachen für Missbrauch im System der katholischen Kirche sprach und deren Beseitigung forderte.
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