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US-Drohnenangriffe: Grüne rücken von öffentlicher Kritik ab

Hamburg (ots)

Die Grünen wollen offenbar nicht mehr gegen mögliche Völkerrechtsbrüche durch US-Drohneneinsätze vorgehen. Diese Einsätze laufen auch über die US-Basis im deutschen Ramstein (Landkreis Kaiserslautern). Die Grünen hatten die Drohneneinsätze jahrelang als "völkerrechtswidrig" verurteilt. Die Bundestagsabgeordnete Merle Spellerberg, Vertreterin von B90/Die Grünen im Verteidigungsausschuss, erklärte im Interview mit dem ARD-Politikmagazin "Panorama" und dem Rechercheformat STRG_F (NDR/funk) auf die Frage, ob die Grünen als Regierungspartei gegen diese deutsche Beteiligung vorgehen: "Die Frage ist nicht, ob wir das könnten, sondern ob wir die Folgen, die damit einhergehen, in Kauf nehmen würden." Gemeint ist damit offensichtlich, dass man diplomatischen Spannungen mit den USA aus dem Weg gehen möchte.

Das wäre ein Paradigmenwechsel: Noch 2019 forderten die Grünen in einem Bundestags-Antrag mit dem Titel "Keine Nutzung der Ramstein Air Base für völkerrechtswidrige Tötungen" die damalige Bundesregierung dazu auf, "unverzüglich den verfassungs- und völkerrechtlichen Pflichten nachzukommen und amtliche Ermittlungen zum Tod von ZivilistInnen zu veranlassen." Ferner solle sie gegenüber der US-Regierung klarstellen, "dass völkerrechtswidrige Tötungen über die Satelliten-Relaisstation auf der Ramstein Airbase den Fortbestand der Relaisstation in Frage stellen".

Damals hatten die Bundesregierung und das Auswärtige Amt auf wiederholte Anfragen der Grünen und Linken stets geantwortet, die USA hätten versichert, dass sie sich in Ramstein an "geltendes Recht" hielten.

Auf eine aktuelle Anfrage von "Panorama" und STRG_F antwortet das nun grün geführte Auswärtige Amt unter Annalena Baerbock wortgleich, dass es "in ständigem Austausch" mit den USA sei und die USA wiederholt versichert hätten, sich in Ramstein an das Völkerrecht zu halten. Gleichzeitig erhalte das Auswärtige Amt von den USA jedoch überhaupt keine Informationen darüber, welche Angriffe konkret über Ramstein laufen.

So habe es etwa keine Kenntnis darüber, ob Ramstein bei der vor Kurzem durchgeführten Tötung des Al Kaida-Anführers Aiman al-Zawahiri beteiligt war. Die zuständige Stelle des Pentagons, das "CyberCommand", antwortet auf Anfrage, dass man grundsätzlich keine geheimdienstlichen Informationen zu Operationen teile.

Interview-Anfragen an Außenministerin Annalena Baerbock sowie an Staatsminister Tobias Lindner und Staatsministerin Katja Keul, die sich in der Opposition besonders gegen "völkerrechtswidrige Tötungen" eingesetzt hatten, lehnte das Ministerium über mehrere Monate ab.

Tausende zivile Opfer

Bei US-Drohnenangriffen im Nahen Osten und Afrika werden immer wieder auch Zivilisten getötet. Im Dezember 2021 veröffentlichte die "New York Times" nach mehrjähriger Recherche die "Civilian Casualty Files". Anhand von Dokumenten des Pentagons wurde belegt, dass die USA wissentlich Tausende zivile Opfer in Kauf nahmen und auch, nachdem intern Fehler ermittelt worden waren, fast nie jemand zur Verantwortung gezogen wurde.

Bereits zuvor waren mehrfach interne Dokumente geleakt worden, die einen fragwürdigen Umgang mit den tatsächlichen Opfern der eigenen Angriffe zeigten: 2014 gab es etwa eine militärinterne Untersuchung, die zu dem Ergebnis kam, dass 90 Prozent der Getöteten bei Drohnenangriffen nicht die eigentlichen Zielpersonen waren, sondern sogenannte "Bystander" - also Menschen, die gerade danebenstanden. Wegen ihrer Nähe zum Ziel wurden sie aber nicht als Zivilisten gezählt. Wenn es Jungen im Alter von über 15 Jahren waren, zählte das US-Militär sie häufig als feindliche Kämpfer, als "Military Age Males", also "Männer in wehrfähigem Alter".

Drohnenangriffe zum Teil völkerrechtswidrig

Hinzu kommt: Auch aus der Sicht von zahlreichen Völkerrechtlerinnen und Völkerrechtlern könnten gezielte Tötungen außerhalb von Kriegsgebieten, wie etwa die im Juli von al-Zawahiri, völkerrechtswidrig sein, da sie weder durch Kriegsrecht noch durch Strafrecht ("Todesurteil") gedeckt sind. Nach dem 11. September 2001 hatte die Regierung von George W. Bush ein Gesetz verabschiedet, wonach die USA Terrorverdächtige jederzeit und an jedem Ort töten dürfen. US-Präsident Biden hatte bereits im August 2021 während des Abzugs der Truppen aus Afghanistan angekündigt, dass man mit "den Fähigkeiten über dem Horizont" auch weiter Angriffe fliegen werde, wenn man dies für richtig halte.

Die Dokumentation zu dem Thema, "Panorama: Hinrichtung aus der Luft - Deutschland und der US-Drohnenkrieg", ist in der ARD Mediathek abrufbar und läuft am Donnerstag, 11. August, um 21.45 Uhr im Ersten.

Pressekontakt:

Norddeutscher Rundfunk
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Presse und Kommunikation
Iris Bents
Tel.: 040/4156-2304
Mail: i.bents@ndr.de

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