Kölnische Rundschau: Kölnische Rundschau zur Nato
Köln (ots)
Stark, aber nicht fest
JOST SPRINGENSGUTH zum Nato-Jubiläum
In der Gegensätzlichkeit von Ost und West zeigte die Nato vier Jahrzehnte lang scharfe Konturen: ein bis an die Zähne bewaffnetes Militärbündnis, das gegen den ebenso hochge rüsteten Warschauer Pakt in Konfrontation stand. Beide Blö cke hatten aber eine gemeinsa me Waffe gegen einen Krieg. Das war die gegenseitige Ab schreckung. Heute, nachdem zwei weitere Jahrzehnte ins Land gegangen sind, steckt das westliche Militärbündnis in ei ner Sinnkrise. Dabei frisst es sich immer weiter in den Osten hinein. Das wiederum führt zu neuem Misstrauen und damit zu Konfrontationen, weil sich von Moskau aus wieder eine Abwehrhaltung gegen den Wes ten aufbaut.
In dieser Phase taucht nun zum 60-jährigen ein neuer amerika nischer Präsident auf, der über raschend einen Plan präsentie ren will, die Welt atomwaffen frei zu machen. Die USA an der Spitze einer Bewegung in diese Richtung wäre eine radikale Kehrtwende - auch in der Ge schichte der Nato. Nach Auflö sung des Warschauer Paktes entfiel weitgehend das europäi sche Bedürfnis nach amerika nischem Schutz, zu dem das Arsenal der Atomwaffen ent scheidend beitrug. Die Frage nach den Aufgaben und Zielen hat sich für die Nato und insbe sondere auch für Europa neu gestellt. Die Antwort "Inter ventionsbündnis" wurde mit den Balkankriegen nicht ab schließend gegeben.
Nach dem Terroranschlag vom 11. September 2001 wurde zunächst von den USA der neue Gegner identifiziert, für den der "Bündnisfall" an ders definiert wurde. Der terro ristische Anschlag wurde als kriegerischer Angriff auf die USA gewertet. Zur Gründung vor 60 Jahren war der Schutz der territorialen Unversehrtheit die Begründung für das militä rische Bündnis, dem die Bun desrepublik 1955 beitrat. Die Neuorientierung ist längst nicht abgeschlossen. Die Türkei be findet sich im geographischen Übergang zur islamischen Welt in einer veränderten Rolle; die Beitrittsländer bringen einen eigenen Charakter durch den Wechsel von Ost nach West mit ein; der Kampf gegen den Ter rorismus weit außerhalb des Nato-Territoriums rückt weiter in den Mittelpunkt der Bündnis aufgaben. Für die USA und auch Frankreich, das sich im Zuge des Nato-Wandels wieder voll integriert, ist das eine Selbstverständlichkeit, für ein Land wie Deutschland nicht.
Auftritt und Charisma des neuen amerikanischen Prä sidenten mögen helfen. Wi derstände in Europa sind aber weiter da, wie auch die De monstrationen in Baden-Baden und Straßburg belegen. Die Zu kunft der Nato, ihr Verhältnis zu Moskau und zu den anderen Großregionen der Welt ist aber noch längst nicht klar: Militä risch stark, aber auch zum 60. nicht auf festem Grund.
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