Kölnische Rundschau: Kommentar: Auftrag verfehlt
RAIMUND NEUSS zu Käßmann und Afghanistan
Köln (ots)
Medienstrategisch hat Margot Käßmann alles richtig gemacht. Wer den Abzug aus Afghanistan fordert, der rangiert mit seiner Neujahrspredigt vor allen anderen kirchlichen Botschaften zum Jahreswechsel. Die EKD-Ratsvorsitzende platziert sich und damit ihre Kirche in den Nachrichten weit vorn. Sie formuliert einen Wunsch, den laut Umfragen gut die Hälfte der Deutschen teilt. Eine Bischöfin, die sich so eng an den so genannten Mainstream schmiegt, die kommt bei den Leuten an. Und nicht zuletzt wegen solcher Medienwirksamkeit ist Margot Käßmann an die EKD-Spitze gewählt worden.
Den Hut müsste man da ziehen - wenn Margot Käßmann denn auch als Bischöfin, als Geistliche alles richtig gemacht hätte. Aber so praktisch die zugespitzten politischen Thesen einer solchen Predigt auch für die Nachrichtenagenturen sind, so deutlich hat Käßmann ihren kirchlichen Auftrag verfehlt.
Sicher gibt es gute Gründe für Margot Käßmanns Ansichten. Allerdings gibt es auch gute Gründe dagegen. Man kann auch als Christ und auch nach der Kundus-Affäre sehr wohl der Auffassung sein, dass der kriegsähnliche Einsatz in Afghanistan das kleinste der denkbaren Übel ist. Dass die Herrschaft von El Kaida über einen Staat - so sah Afghanistan 2001 aus - um des Friedens willen nicht hingenommen werden durfte und darf. Es mag, wie Käßmann formuliert, "nichts gut" sein in Afghanistan, aber welche kirchliche Autorität hat die Kompetenz auszuschließen, dass es ohne westliche Truppen nicht noch schlimmer würde?
In solchen Zweifelsfragen ist die Achtung der Gewissensfreiheit theologisch geboten, und das bedeutet für eine Frau in Margot Käßmanns hohem Amt, dass sie sich selbst mit ihren eigenen politischen Ansichten zurückzunehmen hat. Ratsvorsitzende und Bischöfin ist sie nämlich auch für jene evangelischen Christen, die anders denken als sie. Christen, die als Soldaten, als zivile Helfer oder als Politiker für diesen Einsatz einstehen, haben Anspruch auf Achtung ihrer Gewissensentscheidung.
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Engelbert Greis
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