Kieferorthopädie: zu viel Röntgen, zu wenig Wirkung, zu teuer
Bremen (ots)
Bei den kieferorthopädischen Behandlungen von Kindern und Jugendlichen gibt es zahlreiche Missstände. Das ist das Ergebnis der aktuellen Studie der hkk Krankenkasse "Kieferorthopädische Versorgung von Kindern und Jugendlichen im Spiegel von Routinedaten (2012-2017)" unter der Leitung von Dr. Bernard Braun vom Bremer Institut für Arbeitsschutz und Gesundheitsförderung (BIAG) und Dr. Alexander Spassov, Fachzahnarzt für Kieferorthopädie. So werden beispielsweise zahlreiche diagnostische Untersuchungen und therapeutische Maßnahmen ohne Notwendigkeit routinemäßig erbracht.
Demnach werden fast alle Versicherten, unabhängig vom Alter und ohne Prüfung der kieferorthopädischen Erfordernis, mit Röntgenstrahlen untersucht. Dr. Braun: "Ein klarer Verstoß gegen die nationalen und internationalen Röntgenverordnungen zum Schutz der Gesundheit junger Menschen."
Weiterer Kritikpunkt ist die weitverbreitete Behandlung mit sogenannten losen Spangen: Zwei Drittel der Versicherten erhalten vor einer festen Spange eine herausnehmbare Apparatur. In den meisten Fällen wäre jedoch die ausschließliche Behandlung mit einer festsitzenden Apparatur zweckmäßig und wirtschaftlich. "Eine feste Spange kommt zudem dem Wunsch der meisten Kinder und Jugendlichen nach einer möglichst kurzen Behandlung entgegen. Außerdem wirkt sie sich positiv auf Lebensqualität und Behandlungstreue aus", sagt Dr. Spassov.
Auch die Behandlungsdauer ist mit bis zu drei Jahren zu lang und in den meisten Fällen nicht mit einem gesundheitlichen Bedarf begründbar. Dr. Braun: "Gründe für die unnötige Ausdehnung der Behandlungszeit sind die formale Vergütungsdauer von zwölf Quartalen und die systematische Aneinanderreihung der Behandlung mit losen und festen Spangen."
Der Bundesrechnungshof hat die Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen für kieferorthopädische (kurz: KFO-) Behandlungen in Höhe von jährlich 1,1 Milliarden Euro (zuzüglich zu den Kosten privatärztlicher Behandlungen) schon 2018 kritisiert. Je Patient haben sich diese Ausgaben zwischen 2008 und 2016 ungefähr verdoppelt. Zugleich fehlen gesicherte Erkenntnisse zum Nutzen der KFO-Behandlungen. Um diese Entwicklung korrigieren zu können, bedarf es laut Dr. Braun eines ganzen Maßnahmenkatalogs: "Behandlungsbedarf und Indikationsstellung müssen zuverlässiger erfasst und ausgewertet werden. Im Anschluss daran müssen Wirksamkeit und Nutzen der Behandlung objektiv bewertet werden. Die Behandlungsdauer sollte von bisher bis zu 36 Monaten auf maximal 24 Monate begrenzt werden. Zudem ist die Qualität der Beratung und die Aufklärung der Patienten zu verbessern, um die hohe Zahl der Behandlungsabbrüche zu senken."
Schon in der hkk-Studie "Kieferorthopädische Behandlung von Kindern und Jugendlichen aus dem Jahr 2012" zeigte sich, dass im Rahmen der KFO-Behandlung von Kindern und Jugendlichen Referenzmaßstäbe und evidenzbasierte Behandlungsleitlinien fehlen: Anspruch auf eine Behandlung besteht dann, wenn die Fehlstellung eine funktionelle Beeinträchtigung zum Beispiel des Kauens, Beißens oder Atmens verursacht. In der Praxis werden jedoch Fehlstellungen lediglich anhand einer sogenannten kieferorthopädischen Indikationsgruppe (KIG) identifiziert und funktionale Beeinträchtigungen nicht weiter berücksichtigt.
Ziel der aktuellen Analyse der hkk-Routinedaten zur KFO-Behandlung von Kindern und Jugendlichen war es deshalb, auf Basis von derzeit verfügbaren Abrechnungsdaten mehr Transparenz zu schaffen.
Schon seit mehr als 20 Jahren fordern Experten und Institutionen mehr Transparenz für ausgewählte Bereiche der KFO-Behandlung - über die reine Fall- und Mengenstatistik hinaus - auf Basis von Routinedaten der Krankenkassen. Nun liefert die aktuelle hkk-Studie "Kieferorthopädische Versorgung von Kindern und Jugendlichen im Spiegel von Routinedaten (2012-2017)" erstmals wichtige Erkenntnisse, die es ermöglichen, die Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit, Prozess- und Ergebnisqualität, Evidenzbasierung und die Lebensqualität von Patienten mit einer KFO-Behandlung zu bewerten und zu verbessern.
Die komplette Studie ist zu finden unter: www.hkk.de/gesundheitsreport
Über die hkk Krankenkasse (Handelskrankenkasse):
Die hkk zählt mit mehr als 600.000 Versicherten (davon mehr als 450.000 beitragszahlende Mitglieder), 27 Geschäfts-stellen und 2.100 Servicepunkten zu den großen gesetzlichen Krankenkassen. Ihr stabiler Zusatzbeitrag von 0,59 Prozent (Gesamtbeitrag 15,19 Prozent) macht sie seit Jahren zur günstigsten deutschlandweit wählbaren Krankenkasse. hkk-Kunden können im Vergleich zum Kassendurchschnitt - abhängig von ihrem Einkommen - bis zu 217 Euro jährlich sparen; gegenüber einer Kasse mit 1,7 Prozent Zusatzbeitrag sogar bis zu 589 Euro. Auch die Extraleistungen übertreffen den Branchendurchschnitt: Unter anderem erstattet die hkk zusätzliche Leistungen im Wert von über 1.000 Euro je Versicherten und Jahr in den Berei-chen Naturmedizin, Vorsorge und bei Schwangerschaft. Ergänzend fördert das hkk-Bonusprogramm Gesundheitsaktivitäten mit bis zu 250 Euro jährlich. Für einen weiterfüh-renden Gesundheitsschutz erhalten hkk-Kunden private Zusatzangebote der LVM-Versicherung zu Sonderkonditionen. Die Verwaltungskosten der hkk liegen etwa 30 Prozent unter dem Branchendurchschnitt. Rund 950 Mitarbeiter(innen) betreuen ein Ausgabenvolumen von mehr als 1,5 Mrd. Euro.
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Dr. Alexander Spassov Tel.: 03834.884 3636 (Facharzt für
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