Alfred Döblin zum 50. Todestag
Fünf Sendungen zu Leben und Werk des Schriftstellers in Bayern2Radio
München (ots)
Donnerstag, 21. Juni 2007, 20.30 Uhr: Die Döblin-Schluchten (neu) Sonntag, 24. Juni 2007, 15.15 Uhr: Die Geschichte vom Franz Biberkopf (neu) Montag, 25. Juni 2007, 20.30 Uhr: Die Transformation des Franz Biberkopf (neu) Mittwoch, 27. Juni 2007, 21.30 Uhr: "Calypso, oh Calypso" (von 1996) Sonntag, 8. Juli 2007, 11.00 Uhr: Berliner Theaterberichte (3tlg, von 1977)
Auch wenn es sicherlich nicht das größte schriftstellerische Werk ist, das Alfred Döblin (1878 - 1957) hinterlassen hat, so hat es doch am meisten Aufsehen erregt: Sein Roman "Berlin Alexanderplatz", der bereits im Jahr 1929, in der kulturellen Blütezeit der Weimarer Republik, erschienen ist. In der deutschsprachigen Literatur gilt dieser Roman als Begründer des Genres "Großstadtroman" und gleichzeitig als literarische Krönung der sog. "Neuen Sachlichkeit", der Abgrenzung vom Pathos des Expressionismus. 1980 wurde der Roman verfilmt: Rainer Werner Fassbinder produzierte daraus einen 14-teiligen Fernsehfilm mit insgesamt 15 ½ Stunden!
Bayern2Radio hat anlässlich des 50. Todestages am 28. Juni des großen Schriftstellers drei neue Sendungen produziert: 1.) "Die Döblin-Schluchten" ist eine Entdeckungsreise durch das Lebenswerk von Alfred Döblin, Helmut Petzold beschäftigt sich dabei mit Döblins so unterschiedlichen literarischen Formen und Inhalten. 2.) Das Hörspiel "Berlin Alexanderplatz" mit seinem Protagonisten Franz Biberkopf hatte Alfred Döblin 1929 selbst erarbeitet, eine Ausstrahlung dann aber doch abgesagt. Jetzt hat Kai Grehn Döblins Manuskript übernommen und mit den heute möglichen technischen Hilfsmitteln das Hörspielkonzept von einst realisiert. 3.) In dem Feature "Die Transformation des Franz Biberkopf" verfolgen Mira Schnoor und Annegret Arnold wie Alfred Döblin die Geschichte auf der Ebene dreier verschiedener Medien erzählt, sich dabei den Bedingungen des jeweiligen Mediums stellt und seine künstlerischen Grenzen auslotet. 4.) Von Döblins Verhältnis und Verständnis von Musik handelt das Feature von Werner Bleisteiner, das er 1996 produziert hat. 5.) Außerdem werden die "Berliner Theaterberichte" als 3-teilige Lesung von Horst Raspe im Juli wiederholt.
Sendedaten und Inhalte der fünf Sendungen in Bayern2Radio:
1.) Donnerstag, 21. Juni 2007, 20.30 bis 21.30 Uhr Die Döblin-Schluchten Entdeckungsreise durch ein Literaturgebirge Von Helmut Petzold
Philosophische und politische Schriften gehören ebenso wie Erzählungen, Romane, Romantrilogien, Romantetralogien, die im China des 18. Jahrhunderts spielen oder in einem mythischen Indien oder in Berlin oder am Amazonas, zum Lebenswerk von Alfred Döblin. Diese Romane handeln vom 30-jährigen Krieg, von der Enteisung Grönlands, von der deutschen Revolution. Sie sind epische Hochgebirge, Beschwörungen der Fülle und Vielgestaltigkeit der Natur, Generalabrechungen mit der westlichen Zivilisation, zusammengesetzt aus Realistik, Phantasie und einer philosophisch-mystischen Unterströmung. Sie sind außergewöhnlich, fremdartig, voll ungeheurer Bilderfluten. Zum 50. Todestag des großen Schriftstellers führt Helmut Petzold durch Leben und Werk - als Anregung, Einladung und Verführung zu Alfred Döblin.
2.) Sonntag, 24. Juni, 15.15 bis 17.00 Uhr Die Geschichte vom Franz Biberkopf Hörspiel nach dem Roman Berlin Alexanderplatz Komposition: Kai-Uwe Kohlschmidt/Tarwater Regie: Kai Grehn Eine Koproduktion von SWR/BR/RBB 2007
Franz Biberkopf, früher Zement- und Transportarbeiter, will nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis ein anständiger Mensch werden. So steht er auf dem Alexanderplatz des alten Berlin und betreibt seine kleinen Handelsgeschäfte. Anfangs geht alles gut, aber die Zeiten sind schlecht. Biberkopf hat nicht nur mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen, sondern wird in einen regelrechten Kampf verwickelt mit etwas, das von außen kommt, das unberechenbar ist und wie ein Schicksal aussieht.
1929 setzte sich Alfred Döblin in einem Vortrag mit der Frage der "Möglichkeit eines Eintritts von Literatur in den Rundfunk" auseinander. Döblin erprobte diese Möglichkeit mit einer Hörspielfassung seines Romans, die er ganz auf das Schicksal der Hauptfigur reduzierte. Die Sendung des Hörspiels jedoch wurde kurzfristig aus dem Programm genommen - Döblins Begründung lautete, vieles sei "im Funkhaus kaum darzustellen".
77 Jahre später greift Kai Grehn in seiner Inszenierung die Faszination des Autors für das Medium Radio auf. Mit den technischen und stilistischen Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts bringt er zu Gehör, was Döblin in seinem Hörspielmanuskript als radiophone Spielflächen angelegt hatte. Originaltöne von den Romanschauplätzen und Geräusche des heutigen Berlin werden zur Basis einer Großstadtmusik, die den Takt für Grehns Interpretation des Stoffes vorgibt und "Die Geschichte vom Franz Biberkopf" ins Heute und Hier verlegt.
3.) Montag, 25. Juni 2007, 20.30 Uhr Die Transformation des Franz Biberkopf Alfred Döblins Berlin Alexanderplatz in Roman, Hörspiel und Film Realisation: Mira Schnoor / Annegret Arnold
Döblin arbeitete in "Berlin-Alexanderplatz" virtuos mit verschiedenen Sprachebenen und innovativen Erzähltechniken, unter anderem mit dem filmischen Mittel der Montage. Konsequenterweise transponierte er seinen Stoff bald auch in andere Medien, in den Film und in das damals noch junge Hörspiel.
Mit seinem Hörspielmanuskript "Die Geschichte vom Franz Biberkopf" betrat Döblin, ein begeisterter Radiohörer, der sich auch theoretisch mit dem Rundfunk beschäftigte, radiophones Neuland. Der Roman, die Hörspielaufzeichnung und der Film blieben erhalten und bieten die einzigartige Möglichkeit, zu verfolgen, wie Alfred Döblin eine Geschichte in drei verschiedenen Medien erzählt, sich dabei den Bedingungen des jeweiligen Mediums stellt und seine künstlerischen Grenzen auslotet. Die drei Werke spiegeln die gesellschaftspolitische Lage in Deutschland am Vorabend der Regierungsübernahme durch die Nationalsozialisten und zeugen exemplarisch vom Ende der Kultur der Weimarer Republik. (Wiederholung am Dienstag, 26. Juni 2007, 15.00 Uhr)
4.) Mittwoch, 27. Juni 2007, 21.30 Uhr, Bayern2Radio "Calypso, oh Calypso" Alfred Döblin und die Musik
Werner Bleisteiner beleuchtet in diesem Feature Alfred Döblins Verhältnis und Verständnis von Musik. Denn er hatte sich viel mit Musik befasst. Lange bevor er mit "Berlin Alexanderplatz" 1929 zu Ruhm und Ehre kam, schrieb er als Kritiker des Prager Tageblatts glossierend über die Berliner Theater- und Opernszene der Wilden Zwanziger. Schon vor dem 1. Weltkrieg arbeitete er zusammen mit Herwarth Walden an der expressionistischen Zeitschrift "Der Sturm". Bereits in der ersten Ausgabe 1910 erschienen kleinere Aufsätze über Musik, Musiker und Musikalisches aus seiner Feder. Außerdem verfasste Döblin für den "Sturm" eine ganze Reihe von kleinen Dialogen unter der Überschrift "Gespräche mit Calypso". Vordergründig betrachtet unterhalten sich darin die mythische Figur Calypso und ein Musiker geistreich über das Unaussprechliche der Musik. Aber im Prinzip entwickelt Döblin darin eine eigene Poetik und Kunstauffassung in einer Zeit, in der ein "Ismus" auf den nächsten folgte: Expressionismus, Futurismus, Dadaismus . . .
5.) Sonntag, 8. Juli 2007, 11.00 Uhr, Bayern2Radio Berliner Theaterberichte Eine 3-teilige Lesung von Horst Raspe (1977)
Auch an die wenig bekannten Theaterkritiken von Alfred Döblin möchte der Bayerische Rundfunk zu seinem 50. Todestag erinnern. Auf dem Programm stehen Auszüge aus Döblins Theaterberichten der Jahre 1921 bis 1924. Es sind scheinbar nebensächliche Brotarbeiten des großen Romanciers: keine landläufigen Aufführungsberichte, sondern präzis-ironische Skizzen des politischen und kulturellen Lebens der Hauptstadt während der hektischen Nachkriegs- und Inflationsjahre.
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