Bayerisches Fernsehen
Sonntag, 10. April 2005, 22.15 Uhr
Reportage am Sonntag
Welt der Walz
Handwerksgesellen auf
Wanderschaft
München (ots)
Reportage von Julia Schlegel und Eckhart Querner
Sie tragen ihre zünftige Kleidung: den schwarzen Zylinder, Schlapphut oder 'Koks', das kragenlose Hemd, genannt 'Staude', die Samt- oder Manchesterweste und -hose, und eine Art Krawatte, die schwarze Ehrbarkeit: Handwerksgesellen auf der Walz.
Andreas ist Zimmerergeselle aus dem Bayerischen Wald und hat sich entschlossen, auf die Walz zu gehen. Drei Jahre und einen Tag auf Wanderschaft sein, und an jedem Ort nur ein paar Wochen bleiben, seiner Heimat nicht näher als 50 Kilometer kommen dürfen - das alles verlangt einen besonderen Schlag Mensch und hat einen ungeheuren Reiz: immer mehr junge Männer entschließen sich, auf die Walz zu gehen, für ein paar Jahre das geordnete Leben mit der großen Freiheit zu tauschen. Zwischen 3.000 und 4.000 Gesellen sollen heute auf der Walz sein. Sie kommen aus verschiedenen Berufen des Bauhandwerks: Maurer, Zimmerer, Schreiner, Steinmetze oder Dachdecker. Früher galt die Tradition: nur wer auf der Walz war, konnte Krauter werden, also den Meistertitel tragen. Noch heute gilt: losziehen darf nur, wer männlich, unverheiratet und unter 30 ist, einen Gesellenbrief, aber keine Schulden hat, und keine Vorstrafen. Um jedoch in eine altehrwürdige Gesellschaft wandernder Gesellen wie die 'Rechtschaffenen Fremden Gesellen' aufgenommen zu werden, muss Andreas zu aller erst eine rituelle Handlung überstehen, bei der auch ein wenig Blut fließt.
Die Autoren haben Andreas ein Stück seines Weges durch Bayern begleitet. Aber auch Philipp, Carlos und Tom. Philipp ist Maurergeselle aus dem Rheinischen, Carlos Landschaftsgärtner aus der Lüneburger Heide und hat die Tippelei schon hinter sich. Er war sechs Jahre auf der Walz, bis runter nach Namibia. Jetzt, auf seinen Baustellen in und um Straubing wird der Maurermeister schon mal sentimental, wenn die wandernden Gesellen bei ihm nach Arbeit fragen und von ihren Erlebnissen erzählen. Von der Welt der Walz. Jedes Jahr nimmt er sich vor, wieder loszuziehen, in die Fremde, und wenn es nur ein paar Wochen wären.
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