"Report Mainz", heute, 29. Mai 2012, 21.45 Uhr im Ersten
Ermittlungen gegen "Kaufland"
Staatsanwaltschaft Stuttgart prüft Sozialversicherungspraxis bei osteuropäischen Werkvertragsunternehmen
Mainz (ots)
Bei ihren Ermittlungen wegen mutmaßlich illegaler Schweinwerkverträge bei dem Lebensmittelkonzern "Kaufland" überprüft die Staatsanwaltschaft Stuttgart das von osteuropäischen Werkvertragsfirmen praktizierte Sozialversicherungsmodell. Das berichtet das ARD-Politikmagazin "Report Mainz". Hintergrund ist, dass die Firmen für große Teile der Löhne keine Sozialversicherungsbeiträge abführen. Diese werden beispielsweise als Spesen deklariert und fallen in Ländern wie Polen oder Ungarn nicht unter die Sozialversicherungspflicht. Dadurch können osteuropäische Firmen im Rahmen von Werkverträgen Dienstleistungen billiger anbieten als deutsche Firmen. Ein Modell, von dem letztlich auch "Kaufland" profitiert. Nach Recherchen von "Report Mainz" haben mindestens fünf osteuropäische Dienstleister, die mit "Kaufland" im Geschäft sind oder im Geschäft waren, dieses Modell angewendet und Sozialversicherungsbeiträge nur auf Teile der Löhne abgeführt.
Während sich die osteuropäischen Firmen auf das in ihren Heimatländern geltende Recht berufen, hält die Bundesregierung diese Praxis mit Blick auf EU-Regelungen grundsätzlich für "unzulässig". In einer gemeinsamen Mitteilung mit Österreich an die EU-Kommission vom 15. November 2011, die "Report Mainz" exklusiv vorliegt, schreibt das zuständige Bundesarbeitsministerium: Durch diese Praxis komme es zu einer "Ungleichbehandlung der entsandten Arbeitnehmer im Vergleich zu nationalen Arbeitnehmern". Es sei eine "Diskriminierung der betreffenden Personen auf Leistungsebene" zu befürchten, indem beispielsweise nur "geringe Rentenanwartschaften" erworben würden. Zudem "können der heimischen Dienstleistungswirtschaft des Entsendestaates wettbewerbswidrige Vorteile verschafft und zugleich positive Beschäftigungseffekte im Entsendestaat zu Lasten des Arbeitsmarktes der Zielstaaten verfolgt werden".
Auch die Gewerkschaft ver.di verurteilt die Praxis. Der Bereichsleiter Arbeits- und Beschäftigungspolitik beim ver.di-Bundesvorstand, Bernhard Jirku, sagte "Report Mainz" mit Blick auf die Wettbewerbsvorteile der osteuropäischen Dienstleister: "Mit Sicherheit wird da eine Dynamik in Gang gesetzt, die am Ende sozialversicherungspflichtige Jobs in Deutschland verdrängt, und das ist nicht akzeptabel."
Auf Anfrage von "Report Mainz" wollte sich "Kaufland" nicht zu der Sozialversicherungspraxis seiner osteuropäischen Werkvertragsunternehmen äußern. Aufgrund des laufenden Verfahrens gehe man nicht auf "individuelle Fragestellungen" ein. Der Arbeitsrechtler Prof. Peter Schüren von der Universität Münster hält die Praxis für einen "Missbrauch des Entsenderechts". Dem Politikmagazin sagte er: "Ich meine schon, dass Kaufland, wenn es solche Unternehmen beschäftigt, die mit dem Entsendesystem Missbrauch treiben, selbst an diesem Missbrauch beteiligt ist. Wenn man weiß, dass das so funktioniert und dass auf diese Weise Geld gespart wird, dann macht man an dem System mit."
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