"Report Mainz", 17.5.2016, um 21.45 Uhr im Ersten: Staatliche deutsche Entwicklungshilfeagentur koordiniert brisantes Grenzschutzprojekt mit Sudan und Eritrea
Mainz (ots)
Obwohl die staatliche Entwicklungszusammenarbeit ausgesetzt ist, soll die deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) ein Grenzschutzprojekt unter anderem in Eritrea und dem Sudan leiten. Das geht aus Recherchen des ARD-Magazins "Report Mainz" sowie des Magazins "Der Spiegel" hervor. Das Grenzschutzprojekt ist Teil eines Europäischen Fonds zur Bekämpfung von Fluchtursachen.
Der EU-Projektplan sieht auch die Lieferung von Ausrüstung zum Grenzschutz vor. Aufgelistet werden unter anderem Autos, Kameras, Scanner und Server. Zudem sollen Sicherheitskräfte ausgebildet werden. Dieser Projektplan sei verbindlich, teilte das verantwortliche Bundesentwicklungsministerium (BMZ) auf Anfrage mit. Die Einzelheiten des Projekts würden aber noch erarbeitet, es sei noch keine Entscheidung über konkretes Equipment gefallen.
Die staatliche Entwicklungszusammenarbeit zwischen Deutschland und dem Sudan und Eritrea ist offiziell ausgesetzt. Grund dafür sind die systematischen Menschenrechtsverstöße in beiden Ländern. Gegen den sudanesischen Präsident Umar Al-Bashir liegt ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag vor. Das Projekt werde dennoch durchgeführt, da es von der EU finanziert werde, so das Bundesentwicklungsministerium auf Anfrage.
Im Interview mit "Report Mainz" sagte Awad Dahiya, der zuständige General im sudanesischen Innenministerium, wofür der Sudan EU-Unterstützung brauche: "Wir wollen alle Menschen hier im Land registrieren, sowohl Migranten als auch Sudanesen. Dabei bauen wir eine biometrische Datenbank auf, mit Fotos und Fingerabdrücken. So könnte auch Europa mit unserer Hilfe erkennen, wer tatsächlich Sudanese ist und wer nicht. Oder ob ein Flüchtling durch den Sudan gekommen ist. Es ist ganz wichtig, dass wir Unterstützung beim Aufbau dieser Datenbank bekommen."
Die EU selbst sieht ein Missbrauchsrisiko in der Lieferung von Ausrüstung: Im Projektplan der EU heißt es dazu: "Equipment könnte zur Unterdrückung der Zivilbevölkerung eingesetzt werden." Der sudanesische Außenminister Ibrahim Ghandour berichtet im Interview mit "Report Mainz" von Verhandlungen mit der EU und Deutschland: "Wir haben schon lange nach Ausrüstung wie GPS und anderem Grenzschutzequipment gefragt. Also Überwachungstechnologie für die Grenze. Darüber haben wir mit Deutschland und der EU gesprochen. Und wir glauben, dass ein gegenseitiges Einvernehmen hergestellt werden kann."
An ein Engagement der EU im Sudan knüpft er auch die Unterzeichnung eines Rückübernahmeabkommens mit der EU: "Der Migrationskommissar in Brüssel hat mir gesagt: 'Wir haben 12.000 illegale Migranten aus dem Sudan in der EU. Sind Sie bereit, die zurückzunehmen?' Ich sagte ihm: 'Sofort. Steht zu Euren Versprechen und sie sind herzlich willkommen'".
Ein weiteres im EU-Projekt aufgeführtes Vorhaben ist der Bau von Aufnahmelagern für Flüchtlinge inklusive Hafträumen. Auch hierzu sei noch keine endgültige Entscheidung gefallen, teilt das BMZ mit. Sudanesische Behörden planen jedoch bereits den Bau neuer Aufnahmelager, wie Recherchen von "Report Mainz" vor Ort ergeben haben. Es habe auch Gespräche mit deutschen Delegationen gegeben, berichten mehrere Beteiligte übereinstimmend. Ein Leiter der zuständigen sudanesischen Migrationsbehörde COR sagte im Interview mit "Report Mainz" wörtlich: "Wenn alles gut geht, fangen wir noch vor dem Herbst an. Eine der großen Zielsetzungen, die wir mit der deutschen Delegation besprochen haben, ist folgende: Die Flüchtlinge sollen in abgeriegelten Lagern sein, wo sie mit allen Hilfsleistungen versorgt werden und in denen sie auch an für sie generierten Projekten teilnehmen können. Das Hauptziel ist, dass die Flüchtlinge das neue Lager nicht verlassen. All das haben wir vollständig vereinbart mit der deutschen Delegation."
Das Bundesentwicklungsministerium hat auf Anfrage von "Report Mainz" zu dieser Aussage bislang nicht reagiert.
Der Obmann der Linken im Entwicklungshilfeausschuss, Niema Movassat, kritisiert vor diesem Hintergrund das geplante Projekt: "Es ist formal ein Verstoß gegen die Richtlinien. Man hat normalerweise Richtlinien, mit welchen Ländern man zusammenarbeitet, das macht man eben auch an der Menschenrechtssituation vor Ort fest. Aber jetzt sind diese Länder plötzlich gut genug dafür, dass man dort Grenzpolizisten ausbildet. Das ist völliger Wahnsinn. Also wenn man überhaupt mit solchen Ländern zusammenarbeitet, dann doch an der Basis mit den Menschen vor Ort, aber nicht mit den Regierungen."
Auch der Sudan-Experte Wolf-Christian Paes vom Bonn International Center for Conversion sieht das geplante Projekt kritisch: "Es ist so, dass mit Staaten wie Eritrea oder auch dem Sudan die von Deutschland finanzierte Entwicklungszusammenarbeit vor einigen Jahren eingestellt wurde mit Verweis auf die Menschenrechtslage. Wenn man sagt, nun über die Europäische Union, über diese Art von Sonderinitiativen fangen wir da wieder an, kreiert man natürlich einen Präzedenzfall, das ist auch genau der Grund, warum die Staaten in der Region ein Interesse daran haben. Aber es gab ja gute Gründe dafür, die bilaterale Zusammenarbeit einzustellen. Hier stellt sich schon die Frage, ob wir unsere menschenrechtlichen Positionen unnötig über Bord werfen bei dem Versuch, der Flüchtlingsströme Herr zu werden."
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