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ZDF-Magazin "Frontal 21" am 12. Januar 2010
Etikettenschwindel beim Sekt
Präsident der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz: "Vertrauensbruch"

Mainz (ots)

Deutsche Sekthersteller täuschen offenbar schon seit
Jahren die Verbraucher. Sie verkaufen Sekt, der industriell 
hergestellte Kohlensäure in großen Mengen enthält. Das fanden 
TÜV-Prüfer im Auftrag von "Frontal 21" bei Stichproben heraus. Danach
enthielt zum Beispiel die Marke "Schwarze Mädchentraube" 80 Prozent 
exogenes Kohlendioxid, "Schloss Munzingen" 59 Prozent und 
"Rotkäppchen" 32 Prozent.
Die Hersteller verstoßen damit gegen die EU-Verordnung 606/2009. 
Darin heißt es: "Das Kohlendioxid im Schaumwein darf nur aus der 
alkoholischen Gärung...stammen."  Sind also künstliche 
Kohlendioxid-Anteile in der Flasche, darf es laut EU-Verordnung nicht
mehr "Sekt" heißen, sondern nur noch "Schaumwein mit zugesetzter 
Kohlensäure". Im Prinzip ist also nur Sekt, der mit "traditioneller 
Flaschengärung" hergestellt wird, frei von fremdem Kohlendioxid.
Norbert Schindler, Präsident der Landwirtschaftskammer 
Rheinland-Pfalz, spricht von "Vertrauensbruch" gegenüber den 
Verbrauchern: "Wenn man in einem teuren Verfahren die Natur 
grundsätzlich als Natur belässt, erwartet der Verbraucher, wenn er 
drei, vier, fünf Euro mehr ausgibt oder auch nur zweieinhalb Euro, 
dass er eine bestimmte Qualität dann auch genießen darf. Wenn diese 
verfälscht wurde durch künstliche Zusätze, dann erwartet der 
Verbraucher mit Recht, dass dieser Umstand schnellstens abgestellt 
wird und die Überschreiter solcher Vorschriften auch geahndet werden.
Es geht um Vertrauensschutz in ein Naturprodukt!"
Der Verband Deutscher Sektkellereien weist die Kritik zurück. 
Geschäftsführer Ralf Peter Müller: "Es ist überhaupt keine 
Verbrauchertäuschung." Der Verbraucher interessiere sich nicht für 
"Exkurse zu Isotopenverhältnissen in Kohlensäure".
Rund 400 Millionen Flaschen des so genannten 
"Qualitäts-Schaumweins" werden jährlich produziert, meist in riesigen
Gär-Tanks. Dabei kommt es offenbar zu unerlaubten Vermischungen von 
natürlicher und künstlicher Kohlensäure. Christa Klaß vom Ausschuss 
für Lebensmittelsicherheit des EU-Parlaments bestätigt: "In der 
Europäischen Weinmarktordnung ist ganz klar die Definition von Sekt 
geregelt. Und das heißt, man darf für dieses Abfüll-Verfahren mit 
externer Kohlensäure arbeiten. Aber diese Kohlensäure darf nicht in 
die Flasche hineingelangen."
Dagegen verstoßen deutsche Sekthersteller schon seit Jahren - mit 
Wissen der zuständigen Ministerien. Das geht aus einer Vereinbarung 
zwischen dem Deutschen Sektverband und den Verbraucherministerien von
Bund und Ländern hervor, die "Frontal 21" vorliegt. Nach dem so 
genannten "dynamischen Minimierungskonzept" verpflichten sich die 
Hersteller zwar, den Anteil von Fremdkohlensäure jährlich um einige 
Prozentpunkte zu verringern, die Vermischung hält man aber für 
"technisch unvermeidbar" und verkauft derartige Flaschen weiter als 
Sekt.
Experten werten das als Rechtsbruch und werfen der Politik vor, 
sie verstoße systematisch gegen die EU-Verordnung. Professor Ingolf 
Pernice von der Humboldt-Universität Berlin: "Wenn die Ministerien 
argumentieren, dieses Hinzufügen des externen Kohlendioxids sei 
unvermeidbar, dann ist die Konsequenz, dass man das Gesetz ändert 
oder dass man die Öffentlichkeit darüber informiert, dass da externes
Kohlendioxid drin ist, nicht aber einfach darüber hinweggeht und so 
tut, als wäre alles in Ordnung."
Nachfragen bitte an die ZDF-Redaktion "Frontal 21" unter:  Tel.: 
030/2099-1255 (Ilka Brecht)

Pressekontakt:

ZDF-Pressestelle
Telefon: 06131 / 70 - 2120
Telefon: 06131 / 70 - 2121

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