Kauder: Organspenden sind ein Zeichen der Solidarität
Berlin (ots)
Zum Tag der Organspende am vergangenen Samstag hat der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Volker Kauder seine Position zur Neuregelung des Transplantationsgesetzes dargelegt. Sie erhalten hiermit eine Dokumentation des Beitrags, den Spiegel-Online veröffentlicht hat:
"Wir erleben in diesen Monaten ein neues Interesse am Thema Organspende. Organisationen wie die Deutsche Stiftung Organtransplantation, Patientenverbände oder Initiativen wie Pro Organspende, aber nicht zuletzt die Krankenkassen haben es in jahrelanger Arbeit geschafft, es mehr in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken. Auch der bundesweite Tag der Organspende an diesem Samstag, der unter dem Motto "Richtig. Wichtig. Lebenswichtig" steht, wird weiter dazu beitragen. Es ist eine Bewegung entstanden, die im besten Sinne für bürgerschaftliches Engagement steht.
Und doch, machen wir uns nichts vor, für viele Bürger wird die Entscheidung, ein Organ zu spenden, immer schwierig bleiben. Wer über eine Organspende nachdenkt, muss sich zwangsläufig mit dem eigenen Tod auseinandersetzen. Nicht jedem fällt dies leicht, zumal unsere Gesellschaft im Grunde nur den Gesunden, Leistungsfähigen, Erfolgreichen huldigt. Es wird weiter viel Aufklärungsarbeit notwendig sein.
Vielleicht können aber schon diese Zahlen wieder einige mehr zum Nachdenken bewegen: In Deutschland warten etwa 12.000 Patienten jedes Jahr auf ein Spenderorgan. Drei von ihnen sterben aber pro Tag, weil es nicht ausreichend Organspender gibt. Die Wartelisten sind lang. 2009 konnten beispielsweise 2172 Nieren verpflanzt werden. Aber allein 8014 Patienten warteten auf dieses Organ.
Was kann aber nun die Politik angesichts dieses Befundes tun? Neue Appelle, ständiges Werben sind sicher nötig. Als Politiker, der dem christlichen Menschenbild verpflichtet ist, fühle ich mich wie viele andere meiner Kollegen aber auch zum Handeln aufgefordert. Auch der Gesetzgeber ist gefragt. Wir müssen erreichen, dass noch mehr Menschen bereit sind, Organe zu spenden. Es gibt keine verlässlichen Zahlen. Aber wenn selbst ein Viertel der Bürger - das ist die Höchstschätzung - einen Organspendeausweis haben sollte, wäre dies immer noch zu wenig.
Auch in den Parteien treibt dies viele um. Dazu hat sicher auch mein Kollege Frank-Walter Steinmeier beigetragen, der seiner Frau eine Niere gespendet hat. Er ist ein Vorbild. Frank-Walter Steinmeier hat sich schon vorher für die Förderung der Organspende eingesetzt. Sein Verhalten verdient höchsten Respekt.
In Deutschland wird derzeit noch die sogenannte Einverständnislösung praktiziert. Sie beruht auf dem Gedanken, dass der Spender vor einer Organentnahme stets sein Einverständnis abgegeben haben muss. Daran muss weiter festgehalten werden, gleichzeitig ist er jedoch weiterzuentwickeln.
Manche - auch in den Ländern - denken heute an die Einführung einer sogenannten Widerspruchslösung. Sie wird auch in einigen europäischen Ländern praktiziert. Für mich ist dies aber kein gangbarer Weg. Der Staat darf die Bürger nicht durch Gesetz zunächst auf eine Organspende festlegen, von der sie sich nur aktiv durch einen Widerspruch lösen können.
Die Organspende ist eine höchstpersönliche Angelegenheit. Sie ist, auch wenn sie erst nach dem Tod Folgen hat, viel mehr als beispielsweise eine testamentarische Verfügung über einen bestimmten Vermögensgegenstand. Die Entscheidung berührt den Kern der Persönlichkeit, die über den Tod hinaus geschützt ist. Ein der Freiheit verpflichteter Staat darf in dieser hochsensiblen und höchstpersönlichen Frage niemanden zwingen oder drängen.
Sehr wohl kann der Staat aber seine Bürger zu einer Entscheidung für oder gegen eine Organspende auffordern. Das ist ein großer Unterschied zur Widerspruchslösung. Eine solche Entscheidungslösung basiert auf dem Gedanken, dass jeder Mensch einmal in seinem Leben, möglichst in jungen Jahren, mit der Frage der Organspende konfrontiert wird. Der Staat bittet seine Bürger damit nur, Stellung zu beziehen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Diese Bitte um Entscheidung kann beim Erwerb des Führerscheins geschehen. Denkbar ist auch, die Ausstellung von Pass oder Personalausweis dafür zu nutzen. Über die Einzelheiten kann und muss man noch reden. Zentral ist für mich: Die Entscheidung muss freiwillig bleiben. Niemand wird auch gezwungen sein, die Erklärung auszufüllen. Er kann sie auch weglegen.
Im Deutschen Bundestag werden wird Ende Juni eine große Anhörung zu dem Thema veranstalten. Dabei werden wir uns auch fragen müssen, ob die Bereitschaft zur Organspende von Zeit zu Zeit erneuert werden muss, damit sie gültig ist. Ich neige derzeit dazu, dass eine einmal abgegebene Erklärung ihre Gültigkeit bis zur Erklärung des Gegenteils behält. Dies würde auch der Rechtsklarheit dienen.
Dass wir in Deutschland noch zu wenige Organspenden haben, liegt aber auch in den Arbeitsabläufen in den Krankenhäusern. Diese sind schon nach gegenwärtiger Gesetzeslage verpflichtet, mögliche Organspender zu melden. Tatsächlich sollen nach Schätzungen eines Patientenverbands aber nur 40 Prozent der Kliniken dieser Verpflichtung nachkommen. Grund soll sein, dass die Organentnahme vielfach sehr aufwendig ist.
Ich bin froh, dass das Bundeskabinett nun in der kommenden Woche in diesem Zusammenhang einen Gesetzentwurf verabschiedet. Dieser soll die in Frage kommenden Krankenhäuser nochmals ausdrücklich verpflichten, den Hirntod möglicher Organspender an die Stellen zu melden, die für die Koordinierung von Organspenden zuständig sind. In den Kliniken soll es künftig auch gesetzlich abgesichert einen Transplantationsbeauftragten geben.
Mir ist bewusst, dass es bei dem Thema große Ängste und Vorbehalte in der Bevölkerung gibt. Diese sind aber unbegründet. Es kursieren zahlreiche Vorurteile. Die Sorge etwa, man bekäme als Organspender im Fall einer schweren Erkrankung im Krankenhaus weniger Hilfe, um zu überleben, ist nicht zutreffend. Die Ärzte in unseren Krankenhäusern wollen jedem Patienten helfen. Da bin ich mir sicher. Die Voraussetzung für eine Organspende ist die eindeutige Feststellung des Hirntods.
Organspenden können dazu beitragen, eine Gesellschaft menschlicher zu machen. Die Gesellschaft rückte ein Stück mehr zusammen, gerade in einer Zeit, wo scheinbar Einzelinteressen immer mehr im Vordergrund stehen. Eine Organspende gibt anderen neue Lebens- und Heilungschancen. Das Ende der eigenen Existenz wird so zu einem Neuanfang für andere. Die Organspende ist ganz im Sinne der christlichen Nächstenliebe ein Zeichen der Solidarität. Die großen Kirchen sehen dies genauso.
Am 29. Juni wird der Bundestag zu den ethischen Fragen eine Vielzahl von Experten anhören. Ziel ist es, noch in diesem Jahr ein überarbeitetes Gesetz zu verabschieden, das mittelfristig zu einer Erhöhung der Organspenden führt.
Ich hoffe, dass wir Parlamentarier zu einer möglichst einhelligen Position kommen, im Sinne der Befürwortung der von mir vertretenen Entscheidungslösung. Sie wird beiden Zielen gerecht: Einerseits die Spendenbereitschaft zu vergrößern, sie aber andererseits immer von der freien Entscheidung jedes Einzelnen abhängig zu machen."
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