FZ: Crash nach langem Sinkflug Kommentar der Fuldaer Zeitung (Mittwochausgabe) zur Insolvenz von Air Berlin:
Fulda (ots)
Der Sinkflug dauert schon einige Jahre: Air Berlin ist ein Paradebeispiel dafür, wie man in aller Ruhe und vor aller Augen ein Unternehmen zugrunde wirtschaftet. Jetzt endlich hat die Fluggesellschaft Insolvenz angemeldet, nachdem Anteilseigner Etihad den Geldhahn zugedreht hatte. Retter, Kritiker und neunmalkluge Politiker sind nach dem Absturz schnell zur Stelle. Die Bundesregierung unterstützt Air Berlin mit 150 Millionen, um den Flugbetrieb bis November aufrecht zu erhalten. Bis dahin rechnet man mit einer Lösung. Die könnte mit der Teilübernahme durch die Lufthansa, die nach der Insolvenz die Schulden von 1,2 Milliarden Euro nicht übernehmen muss, gelingen. Die einschlägigen Gewerkschaften wollen allerdings eine Zerschlagung des Unternehmens nicht mitmachen. Eine Alternative oder neues Geld präsentieren sie nicht. Natürlich steuert auch SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz sein politisches Scherflein mit Allgemeinplätzen bei: Die SPD werde Verhandlungen "aufmerksam begleiten" und es müsse "ruhig gehandelt werden". Vielleicht hätte die SPD als Regierungspartei schon früher unruhig werden sollen angesichts des Air-Berlin-Dramas. Dann wären durch ihr Drängen auf rechtzeitige Übernahme gesunder Unternehmensteile durch solide Investoren die Verluste möglicherweise geringer geblieben. Da ist die Warnung von FDP-Chef Christian Lindner vor einer Dauerfinanzierung des Unternehmens durch den Steuerzahler - der jetzt bereits mit dem Bundeskredit dabei ist - schon konkreter. Die könnte drohen, wenn der Deal mit der Lufthansa und anderen Interessenten nicht zustande kommt. Immerhin ist die Insolvenz in Eigenverwaltung eine Variante, die auf Erhalt und Sanierung des Unternehmens abzielt. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist allerdings gering und darf keinesfalls auf Kosten der Steuerzahler vor sich gehen. Eng könnte es für die 7200 Mitarbeiter von Air Berlin werden. Die haben sich nach Jahren ständiger Strategiewechsel, die mit dem größenwahnsinnigen Expansionskurs von Achim Hunold begannen und mit einer Phalanx unfähiger "Sanierer" weitergingen, schon lange nicht mehr wohlgefühlt in ihrem Unternehmen. Jetzt sind ihre Jobs akut bedroht. Kleine Fische sind dagegen die Sorgen der privaten Ticketkäufer, die, wenn Retter und Investoren aussteigen, ihr Geld wohl nicht zurückbekommen, wird doch Großgläubigern wie Etihad Vorrang eingeräumt. Abgesichert sind nur Pauschalreisende. Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet Air Berlin, die mit dem "Mallorca-Shuttle" groß wurde, im Jahr des größten Booms der Ferieninsel abstürzt.
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