Hitzige Debatte um Steuerreform
Frankfurt (ots)
Unter dem Motto "Gerecht, effizient, wettbewerbsfähig: Ein Steuerkonzept für Deutschland" diskutierten am Montag in Hamburg auf einer gemeinsamen Veranstaltung des Instituts für Weltwirtschaft und PricewaterhouseCoopers
PROF. DR. NORBERT HERZIG, Leiter der Arbeitsgruppe Unternehmensbesteuerung in der Kommission "Steuergesetzbuch" der Stiftung Marktwirtschaft,
PROF. DR. JÜRGEN LÜDICKE, Partner bei PricewaterhouseCoopers (Hamburg), FINANZMINISTER RAINER WIEGARD, Finanzministerium Schleswig-Holstein,
PROF. DR. WOLFGANG WIEGARD, Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung,
PROF. DENNIS J. SNOWER, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft, und
DR. ALFRED BOSS, Koordinator Makroökonomische Aktivitäten und Finanzmärkte am Institut für Weltwirtschaft
mit über 250 Gästen aus Wirtschaft, Verbänden und Ministerien über die künftige Ausgestaltung des Steuersystems in Deutschland. Im Mittelpunkt des Diskussionsforums standen die alternativen Steuerkonzepte des Sachverständigenrates und der Stiftung Marktwirtschaft, die von Prof. Wolfgang Wiegard und Prof. Norbert Herzig skizziert wurden. Beide Reformkonzepte streben das Ziel an, einen international wettbewerbsfähigen Steuersatz für Unternehmen von etwa 25 vH (einschl. Gewerbesteuer) zu realisieren. Neben diesem niedrigen Pauschalsteuersatz für Unternehmenseinkünfte bzw. Kapitalerträge halten beide Konzepte an einer progressiven Besteuerung von anderen Einkünften, insbesondere von Arbeitseinkommen, fest.
Die Unterschiede beider Konzepte liegen in den steuertechnischen Instrumenten, mit denen die angestrebte niedrige Pauschalbelastung von Unternehmen erzielt werden soll. Der Sachverständigenrat zielt auf den Produktionsfaktor Kapital ab und will Investitionen im Inland begünstigen. Kapitaleinkommen sollen, soweit sie eine Normalverzinsung nicht überschreiten, mit einem niedrigen proportionalen Steuersatz von 25 vH belastet, alle anderen Einkommen der progressiven Einkommenssteuer unterworfen werden. Steuertechnisch bedeutet dies, dass Gewinnanteile, die einer kalkulatorischen Verzinsung des eingesetzten Eigenkapitals entsprechen, mit einem niedrigen proportionalen Steuersatz von 25 vH, alle anderen Gewinnanteile mit dem progressiven Satz der Einkommenssteuer belastet werden. Durch die Aufspaltung des Einkommens in Kapital- und Arbeitseinkommen entsteht eine duale Einkommenssteuer. Das Ziel der Finanzierungsneutralität durch eine einheitliche Besteuerung der Kapitalerträge steht im Zentrum des Konzepts.
Der besondere Vorteil dieses Konzepts sei es, so Wiegard, dass es die Abwanderung von Kapital ins Ausland begrenzt und die Attraktivität des Standorts Deutschland für ausländisches Kapital erhöht. Denn der Faktor Kapital sei international weitaus mobiler als der Faktor Arbeit und könne daher der nationalen Besteuerung leichter ausweichen. Prof. Dr. Jürgen Lüdicke, Partner bei PricewaterhouseCoopers, betonte, dass - unabhängig von der konkreten Ausgestaltung der Konzepte - Politik und Fachleute seit langem einig seien, dass das komplizierte deutsche Steuersystem den Erfordernissen der Globalisierung und des internationalen Steuerwettbewerbs nicht mehr entspreche. "International denkende Investoren sind an kleinlichem Hickhack ebenso wenig interessiert wie an typisch deutschen Gerechtigkeitsdebatten", so Lüdicke.
Die Stiftung Marktwirtschaft will dagegen die einbehaltenen Gewinne aller Unternehmen unabhängig von der Rechtsform mit einem einheitlichen Steuersatz von 25-30 vH belasten. Eine Unterscheidung zwischen Kapital- und Arbeitseinkommen in Kapitalgesellschaften gibt es nicht. Ausschüttungen und Entnahmen werden einkommenssteuerlich nachbelastet, so dass hier die Belastung maximal dem Einkommenssteuerspitzensatz entspricht. Personengesellschaften sollen wie Kapitalgesellschaften mit dem Pauschalsteuersatz belastet werden und daher zukünftig grundsätzlich nicht mehr der progressiven Einkommensbesteuerung unterliegen. Allerdings können Entnahmen bis zu 120.000 Euro pro Jahr und Person vom Gewinn abgezogen und der Einkommenssteuer unterworfen werden. Auf diese Weise sollen steuerliche Nachteile für kleinere Unternehmen vermieden werden. Das Ziel der Rechtsformneutralität durch eine einheitliche Unternehmenssteuer steht im Zentrum des Konzepts. Die Stiftung Marktwirtschaft schlägt darüber hinaus eine Neuordnung der Kommunalfinanzen vor, die u.a. einen kommunalen Zuschlag zur Unternehmenssteuer und eine kommunale Einkommenssteuer mit Steuersatzautonomie beinhaltet.
Der große Vorteil des Konzepts der Stiftung Marktwirtschaft sei es, so Herzig, dass alle Unternehmenseinkommen, egal aus welchen Quellen sie kommen, einheitlich besteuert werden und die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Standorts D durch den geringen Pauschalsteuersatz, der eine Kommunalsteuer bereits einschließt, erhöht wird.
In der anschließenden Diskussion wurden die Stärken und Schwächen der Konzepte teils kontrovers diskutiert. Beiden Konzepten wurde vorgehalten, dass sie kaum Aussagen über die Finanzierung der resultierenden Steuerausfälle in Höhe von etwa 16-22 Milliarden Euro machen. Dr. Alfred Boss, Steuer- und Haushaltsexperte des Instituts für Weltwirtschaft, plädierte für eine Finanzierung durch einen Abbau staatlicher Subventionen. "Selbst kurzfristig lässt sich ein entsprechendes Einsparvolumen durch eine Kürzung der Steuervergünstigungen und Finanzhilfen nach der Rasenmähermethode erzielen", betonte Boss.
Am Konzept des Sachverständigenrates wurde kritisiert, dass es ausschließlich die Kapitaleinkommen begünstige und somit dem Gedanken einer synthetischen Steuer, die alle Einkommen unabhängig von ihrer Quelle gleichbehandelt, zuwiderlaufe. Auch sei eine Neubewertung von Kapitalanlagen bei der Umsetzung des Konzepts notwendig, was aber praktisch kaum durchführbar sei. Prof. Snower, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft, wies auf die Gefahr hin, dass das Konzept des Sachverständigenrates einer Abwanderung von hoch profitablen Unternehmensteilen ins Ausland Vorschub leisten könnte. "Im schlechtesten Fall bleiben nur die Unternehmensteile in Deutschland, die lediglich Gewinne in Höhe der Normalverzinsung abwerfen", so Snower. Aus kommunaler Sicht wurde darüber hinaus der Wegfall der Gewerbesteuer als wichtigstes Finanzierungsinstrument der Städte und Gemeinden kritisiert. Das Konzept des Sachverständigenrates müsse daher um einen kommunalen Steuerzuschlag, wie er im Modell der Stiftung Marktwirtschaft vorgesehen ist, erweitert werden.
Dem Konzept der Stiftung Marktwirtschaft wurde entgegengehalten, dass es durch die Nachbelastung ausgeschütteter Gewinne Anreize gibt, Arbeitseinkommen oder andere Einkunftsquellen in Gewinne einer Kapitalgesellschaft oder Personengesellschaft auszulagern, um so in den Genuss des niedrigeren Unternehmenssteuersatzes zu kommen. Weiterhin wurde darauf hingewiesen, dass durch die Gleichstellung von Kapital- und Personengesellschaften künftig auch bei Personengesellschaften zwischen der "Unternehmenssphäre" und der "Gesellschaftersphäre" unterschieden werden müsse. Dies führe zu erheblichen technischen Problemen bei der Besteuerung von Personengesellschaften und Einzelunternehmen, die nur schwer lösbar erscheinen. Kritisiert wurde auch die mangelnde Finanzierungsneutralität des Stiftungskonzepts, das einbehaltene Gewinne mit dem niedrigen Unternehmenssteuersatz und ausgeschüttete Gewinne mit dem meist höheren Einkommenssteuersatz belege. Angesichts gut funktionierender Kapitalmärkte sei eine Förderung der Selbstfinanzierung überflüssig.
Insgesamt bildete sich der Tenor heraus, dass die Zielrichtung der Konzepte des Sachverständigenrates und der Stiftung Marktwirtschaft, die Attraktivität des Standorts Deutschland zu erhöhen, gute Ansatzpunkte für eine Reform der Unternehmensbesteuerung in Deutschland bietet, aber die Lösung diverser steuertechnischer Detailprobleme in beiden Konzepten noch aussteht. "Es ist zu hoffen, dass der über die vorliegenden Konzepte bereits jetzt ausgebrochene politische Streit die notwendigen Reformen am Ende nicht verhindert", lautete das Fazit von Prof. Lüdicke, das auf breite Zustimmung stieß.
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Dr. Jürgen Stehn
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