AOK: Soziale Sicherheit macht Menschen fortschrittsfähig
Berlin (ots)
Die AOK erwartet von der nächsten Gesundheitsreform eine Weiterentwicklung des Gesundheitswesens durch mehr Qualitätswettbewerb unter Wahrung der Sozialstaatlichkeit. Dies erklärte Peter Kirch, Verwaltungsratsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes, auf einer Tagung seiner Organisation in Berlin.
Kirch sagte: "Das soziale Sicherungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung ist kein Luxusartikel, sondern notwendiger Kernbestand der sozialen Marktwirtschaft und der demokratischen Ordnung der Bundesrepublik".
Es schaffe erst die notwendige Sicherheit für den Einzelnen, neue Wege zu gehen und zum wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt des Gemeinwesens beizutragen.
Kirch forderte, die eigentlich widersprüchlichen Prinzipien Wettbewerb und Solidarität fester aneinander zu binden und zur Grundlage von Produktivitätsfortschritten im Gesundheitswesen zu machen. Kirch mahnte deutliche Verbesserungen bei Zielorientierung und Qualität des deutschen Gesundheitswesens an.
Menge und Struktur der medizinischen Leistungen orientierten sich zu stark an den ökonomischen Interessen der Leistungserbringer. Auf der Basis qualitätsgesicherter Diagnose- und Behandlungsverfahren müssten sich die ärztlichen Leistungen allein auf die für den Patienten medizinisch sinnvolle Behandlung konzentrieren. Die AOK setzte daher weiterhin darauf, dass staatliche Rahmenvorgaben, globale Steuerungsanreize durch die Selbstverwaltung und individuelle Gestaltungsmöglichkeiten das Gesundheitswesen steuerten. Kirch forderte für die Selbstverwaltung der gesetzlichen Krankenkassen mehr Regelungskompetenzen. Krankenkassen müssten als Sachwalter von Patienten, Versicherten und Beitragszahlern deren Interessen, Bedürfnisse und Präferenzen besser wahrnehmen können. Dazu nötig seien gesetzlich geregelte Kompetenzen für Information, Aufklärung und Beratung. Gelockert werden müsse auch das Vertragsmonopol der Kassenärztlichen Vereinigungen. Kollektivverträge müssten speziell in der integrierten Versorgung durch Individualverträge ergänzt werden. Notwendig sei die Erprobung neuer Vergütungsformen und ein Ärzte-TÜV in Gestalt von Rezertifizierungen der Facharztberechtigung. Für den Krankenhaussektor fordere die AOK eine Intensivierung des Vertragswettbewerbs, die Öffnung der Krankenhäuser für hochspezialisierte ambulante Leistungen und die Zurückdrängung des Staatseinflusses auf die Kapazitätsplanung.
Kirch forderte für das deutsche Gesundheitswesen eine stimmige Wettbewerbsordnung, die den Solidarcharakter der sozialen Krankenversicherung gewährleiste und auch Wettbewerb um Versorgungsqualität unter den medizinischen Leistungserbringern anstoße. Wettbewerb im Gesundheitswesen müsse genutzt werden, um Effizienz und Effektivität zu erhöhen und Innovationen zu beschleunigen. Hierzu leiste der Risikostrukturausgleich einen zentralen Beitrag. Mit seiner jetzt gesetzlich programmierten Weiterentwicklung bis 2007 werde er dafür sorgen, dass genau die Kassen und Leistungserbringer im Wettbewerb erfolgreich sein könnten, die messbar gute Qualität zu angemessenen Preisen bieten könnten. Der heutige Wettbewerb konzentriere sich dagegen auf Risikoselektion sowie Marketing- und Service-Aktivitäten und Randsortimente.
Ganz anders sei dies bei den demnächst beginnenden Disease-Management-Programmen (DMP) für chronisch Kranke. Revolutionär an den DMP-Programmen sei deren Orientierung an medizinisch bewiesenen Erfolgen von Behandlungskonzepten. Störfeuer gegen die wissenschaftlich optimierten Behandlungsprogramme komme daher vor allem von Repräsentanten von der Pharmaindustrie nahestehenden Organisationen.
Teile der Pharmaindustrie und einige Diabetologen fürchteten wohl Umsatzeinbrüche, weil z. B. optimal behandelte und für die Beherrschung ihrer chronischen Krankheit gut geschulte Diabetiker weniger behandlungsbedürftige Komplikationen erlitten. Dieses nackte wirtschaftliche Eigeninteresse werde verborgen hinter einer angeblichen Sorge um die optimale Behandlung der chronisch Kranken.
Kirch erklärte weiter, die AOK setzte auf einen vollwertigen Gesundheitsschutz für alle Versicherte. Die politische Diskussion um eine Aufteilung des Leistungskatalogs in Grund- und Wahlleistungen dürfe nicht zur Ausgrenzung medizinisch notwendiger Leistungen führen.
Die AOK spreche sich dafür aus, überwiegend familien- und sozialpolitisch motivierte Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung aus Steuern zu finanzieren. Zur Gegenfinanzierung von erweiterten Präventionsaufgaben könnten Abgaben auf gesundheitsgefährdende Produkte erwogen werden. Damit könne finanzieller Handlungsspielraum geschaffen werden für eine Stärkung von Prävention und Rehabilitation und der Patientenautonomie.
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