Der Fall Joseph - ein Debakel für die Medien
Hamburg (ots)
Der Fall Joseph - ein Debakel für die Medien / DJV-Vorsitzender Weischenberg und ehemaliger BR-Chefreporter Lindlau üben harte Kritik an Journalisten und Bundeskanzler Schröder
Die Berichterstattung über den Fall Joseph ist ein Debakel für den deutschen Journalismus. Diese Auffassung vertreten der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes, Siegfried Weischenberg, und der anerkannte Kriminalreporter und einstige BR-Chefreporter Dagobert Lindlau in Interviews mit der ZEIT. Für Weischenberg ist die zunehmende Selbstbezüglichkeit der Medien eine Ursache des Fiaskos: Journalisten würden sich zunehmend daran orientieren, was andere Journalisten tun. Zudem herrschte eine besondere Situation: Nach dem Düsseldorfer Anschlag gab es zwar eine öffentliche Debatte über Rechtsextremismus, aber keine Ereignisse, sie journalistisch zu begleiten. Da war die Versuchung besonders groß: "Und dann kommt diese wunderbare Story auf den Tisch. Die ist wie gemalt.(...) Sie war, um es zynisch zu sagen, zu schön um wahr zu sein."
Dagobert Lindlau macht den Wunsch nach political correctness in den Redaktionen als wesentliche Ursache aus. Statt genau hinzuschauen und die Fakten zu berichten, hätten sich viele Journalisten angewöhnt, nur danach zu suchen, was auch ihre Meinung stützen könne. Weischenberg und Lindlau kritisieren beide heftig Bundeskanzler Schröder: Weischenberg sagte, Schröder habe, als er Josephs Mutter empfangen habe, seinen "boulevardesken Neigungen" gefrönt. Lindlau fügt hinzu: "Dass Schröder diese offensichtlich verwirrte und zutiefst verletzte Frau empfangen und sogar seiner Solidarität versichert hat, bevor der Fall von der Justiz abschliessend geklärt worden ist, grenzt an contempt of court."
Diese PRESSE-Vorabmeldung aus der ZEIT Nr. 50/2000 mit Erstverkaufstag am Donnerstag, 7. Dezember 2000 ist unter Quellen-Nennung DIE ZEIT zur Veröffentlichung frei. Der Wortlaut des ZEIT-Textes kann angefordert werden.
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