Günter Wallraff als Paketfahrer undercover für das ZEITmagazin unterwegs
Hamburg (ots)
Günter Wallraff war wieder undercover für das ZEITmagazin unterwegs. Seit mittlerweile fünf Jahren berichtet er regelmäßig über die Schattenseiten der Arbeitswelt. Diesmal recherchierte er monatelang verdeckt als Paketfahrer beim Logistikunternehmen GLS, das seinen deutschen Hauptsitz im hessischen Neuenstein hat. "Was mir die Kollegen in dieser Zeit berichtet haben, welche Zerstörung an Leib und Seele diese Arbeit für sie gebracht hat - ich hatte geglaubt, so etwas gäbe es seit dem Frühkapitalismus nicht mehr", schreibt Günter Wallraff in seiner Reportage.
Kurz vor Weihnachten 2011 stieg er ins Paketauslieferungsgeschäft ein, in der Anlernphase zunächst als Beifahrer. Arbeitszeiten von 12 bis 14 Stunden sind in der Branche üblich zu einem pauschalen Festgehalt von 1200 und 1300 Euro brutto. Überstunden werden nicht gezahlt, Pausen sind bei den langen Touren der Fahrer kaum möglich - obwohl die Verordnungen über Lenk- und Pausenzeiten für Kraftfahrer eigentlich eine Dreiviertelstunde Pause nach 4,5 Stunden Lenkzeit vorschreiben. "Wenn du entsprechend dem Gesetz nach 4,5 Stunden Fahrt eine Dreiviertelstunde Pause machst, kommst du abends nämlich nicht im Depot an", sagte einer der Fahrer. "Die unausweichliche Folge dieser ständigen Übermüdung ist, dass sie (die Fahrer) sich selbst und andere im Straßenverkehr erheblich gefährden", schreibt Günter Wallraff im ZEITmagazin. Eine Statistik über Unfälle durch Paketfahrer existiere nicht, sie müsste seiner Ansicht nach dringend eingeführt werden.
Die Fahrer sind nicht von GLS angestellt, sondern von Subunternehmern, mit denen der Konzern Auslieferungsverträge unterzeichnet. So handhaben das auch viele andere Paket- und Kurierdienste. Die Konzerne können damit viele Risiken auslagern. Den Fahrern werde geraten, das Fahrtenbuch nicht allzu ernst zu nehmen und die Fahrtzeiten zu schönen.
"Die Arbeit zehrt an der Gesundheit, auch bei den vorwiegend jungen Fahrern. Sie altern in einem rasanten Tempo", schreibt Wallraff. Häufig hielten Fahrer höchstens zwei, drei Jahre durch. Die ausbeuterischen Arbeitsbedingungen ruinieren ganze Familien, viele Beziehungen zerbrechen daran. Am schlimmsten ist es nach Wallraffs Recherchen bei den Subunternehmern, die das ganze Unternehmerrisiko alleine tragen. "Ich habe bei meinen Recherchen über ein Dutzend Subunternehmer kennengelernt, die für GLS fahren oder gefahren sind. Bei allen mit zwei Ausnahmen sind die Beziehungen kaputtgegangen, die Familien zerbrochen." Meist halten auch die Subunternehmer nur einige Jahre durch und stehen nicht selten am Ende mit einem großen Schuldenberg da.
GLS konnte bislang für Gesetzesüberschreitungen von Fahrern und Subunternehmern nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Günter Wallraff fordert deshalb staatliche Kontrollen und gegebenenfalls Strafen gegen die Logistikkonzerne selbst und nicht gegen Fahrer und Subunternehmer.
GLS antwortete auf Anfragen: "Die Transportunternehmen werden bei der Erledigung von Transportaufträgen von GLS grundsätzlich zur Beschäftigung von Fahrern in rechtskonformen, sozialversicherungspflichtigen Anstellungsverhältnissen verpflichtet."
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