Schröder: "Falsche Prioritäten" im Nahen Osten
Hamburg (ots)
Mit dem frühzeitigen Nein zu einer militärischen Intervention im Irak schere die Bundesrepublik nicht aus der westlichen Allianz aus. Sie verabschiede sich auch nicht von dem außenpolitischen Kurs, den sie seit dem Kosovo-Krieg eingeschlagen hat. In der ZEIT hat Bundeskanzler Gerhard Schröder damit seine öffentlichen Äußerungen zur Irak-Politik verteidigt und bekräftigt. Mit einer Intervention im Irak werde im Nahen Osten ein neuer Konfliktherd entfacht, und es würden auch "falsche Prioritäten" gesetzt. Gegen seine Kritiker verteidigt Schröder sich mit dem Argument, die Drohkulisse vor Saddam habe sich bewährt.
Anders als der amerikanische Verteidigungsminister Rumsfeld hält Schröder die Eindämmungspolitik gegenüber Bagdad keineswegs für gescheitert. "Ganz im Gegenteil", fügt er hinzu, Saddams Regime sei isoliert und "wäre nach meiner Auffassung auch zu bewegen gewesen, die internationalen Inspekteure wieder ins Land zu lassen".
Einwände, er wolle mit der Außenpolitik Wahlkampf führen, weist Schröder mit der Bemerkung zurück, bei der Teilnahme an dieser Debatte gehe es ihm darum, zu verhindern, dass Fakten geschaffen würden, die sich nicht mehr ändern ließen. Gerade mit der Haltung seiner Regierung im Kosovo-Krieg und der Zusicherung "uneingeschränkter Solidarität" hätten die Deutschen sich auch das Recht erworben, konsultiert zu werden - "nicht nur über das Wie und Wann, auch über das Ob". Sein Wort vom "deutschen Weg", stellt der Kanzler in dem Gespräch mit der ZEIT klar, habe sich "nicht auf außenpolitische Fragen bezogen". Daraus lasse sich auch kein deutscher Sonderweg konstruieren.
In einem selbstkritischen Rückblick auf die Arbeit seiner Regierung räumt der Kanzler ein, dass frühere Reformansätze "im Gestrüpp unterschiedlicher Interessen" manchmal nicht durchsetzbar waren. Die "gelegentliche Unwilligkeit", auf die man bei solchen Reformüberlegungen gestoßen sei, hat er "in allen gesellschaftlichen Gruppen, meine Partei eingeschlossen", beobachtet. Damit hatte er "die ganzen Jahre auch zu kämpfen". Aber die Kunst der Politik sei es doch gerade, "Situationen zu nutzen, in denen man Legitimationen für weiterführende Reformen bekam".
Einen Teil des Widerstands erklärt er sich auch aus wachsenden Ängsten wegen der wirtschaftlichen Entwicklung. Sie machten sich auch in Gruppen breit, die in den letzten Jahren davon ausgingen, dass kollektive Sicherungen weniger wichtig seien als individuelle Möglichkeiten. Schröder zielt damit, ohne es ausdrücklich zu sagen, auf die Aufsteiger und die "Neue Mitte", um die sein Wahlkampf im Jahr 1998 kreiste.
Das komplette ZEIT-Interview (DIE ZEIT Nr. 34, EVT 15. August 2002) dieser Meldung stellen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
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