Der Tagesspiegel: Abkehr von führenden Gewerkschaftern von der SPD und dem Kanzler
Berlin (ots)
IG-Bau-Chef Klaus Wiesehügel, der noch in der vorangegangenen Legislaturperiode für die SPD im Bundestag saß, sagte dem Tagesspiegel: "Mein Engagement für die Sozialdemokratie ist stark zurück gegangen". Er konzentriert sich jetzt "auf das, was den Mitgliedern nützt". Die Lage der Bauwirtschaft sei katastrophal. "Wer keine kriminelle Energie entwickelt, verschwinden vom Markt. Das macht meine Leute verbittert. Das kann nicht Sache der Marktwirtschaft sein", sagte er dem Tagesspiegel.
In dieser Situation sei es für ihn überhaupt nicht nachvollziehbar, dass sich die Politik nun offenbar darauf verständige, die Tarifautonomie aufzubrechen und Unternehmen und Belegschaften mehr Rechte zu geben: "Das wird dazu führen, dass die Gewerkschaften und die Betriebsräte in den großen Unternehmen mächtiger werden. Aber aus den kleinen und mittleren Betrieben werden sie heraus gedrängt." Wiesehügel findet es deshalb verständlich, dass sich viele Gewerkschafter nun fragten, warum sie eine SPD-Regierung so stark unterstützt hätten: "Es ist eben nicht mehr so, dass wir sagen können, wir alle sind Sozialdemokraten und deshalb verstehen wir uns. Wir fühlen uns heute nicht mehr verstanden." Die deutsche Wirtschaft bestehe nun einmal zum größten Teil aus kleinen und mittleren Betrieben. Das aber werde durch die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung nicht mehr reflektiert: "Gerhard Schrölder und (Wirtschaftsminister) Wolfgang Clement sehen die Welt durch die Brille der ganz großen Unternehmen und nicht durch die Brille der Gesamtwirtschaft".
Die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) Ursula Engelen-Kefer dagegen sieht es nicht als Aufgabe der Gewerkschaften an, "Oppositionspartei zu spielen ". Sie sagte dem Tagesspiegel: "Wir müssen unsere Ideen in die Politik hineintragen." Dabei müssten die Gewerkschaften allerdings darauf achten, die notwendige Distanz zu bewahren. Engelen-Kefer wies den Eindruck zurück, der DGB habe beim Kanzler über-haupt nichts mehr zu melden. "Wir haben einiges erreicht", sagte sie. Es sei durchaus im Interesse der Gewerkschaften, die Steuerreform vorzuziehen oder bei Unternehmen eine Mindestbesteuerung durchzusetzen. "Das sind keine Peanuts", sagte Engelen-Kefer. Sie forderte die Bundesregierung auf, ernsthaft über die Einführung einer Bürgerversicherung nachzudenken. "Das wäre ein wirklicher Reformschritt und mal etwas anderes als Sozialabbau", sagte sie.
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