Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz
LKA-RP: Gemeinsame Pressemitteilung der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz und des Landeskriminalamts Rheinland-Pfalz (LKA)
Mainz (ots)
Festnahmen und bundesweite Durchsuchungen gegen Mitglieder und Unterstützer der verbotenen islamistischen Vereinigung "Kalifatsstaat".
Seit heute Morgen um sechs Uhr laufen Durchsuchungen in 6 Bundesländern, die sich gegen Mitglieder, Unterstützer und Sympathisanten der verbotenen Vereinigung "Kalifatsstaat" richten.
Die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz - Landeszentralstelle zur Bekämpfung von Terrorismus und Extremismus Rheinland-Pfalz (ZeT) und das Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz führen Ermittlungen gegen 10 Beschuldigte aus der Region Bad Kreuznach und einen weiteren Beschuldigten aus Nordrhein-Westfalen wegen des Verdachts des Verstoßes gegen ein Vereinigungsverbot gem. § 85 StGB.
Die islamistische Vereinigung "Kalifatsstaat" wurde mit Verfügung des Bundesministers des Innern vom 08.12.2001 verboten, da sich die Ziele und Zwecke der Vereinigung gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung und den Gedanken der Völkerverständigung richten. Den Beschuldigten liegt zur Last, als Rädelsführer und Mitglieder dieser verbotenen Vereinigung, die Organisationstrukturen des "Kalifatsstaats" fortgeführt und zu diesem Zweck die Verbreitung der islamistischen Ideologie der Vereinigung gefördert zu haben.
Die Ermittlungen beruhen auf Erkenntnissen der Abteilung Verfassungsschutz des Ministeriums des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz. Die Ermittlungen ergaben den dringenden Verdacht, dass innerhalb eines Moscheevereins in Bad Kreuznach in Predigten und durch den Verkauf von Schriften und sonstigen Propagandamitteln die Ideologie des "Kalifatsstaats" verbreitetet wird und die Mitglieder des Moscheevereins die Organisationsstrukturen der Vereinigung aufrechterhalten.
Die unter der Sachleitung der ZeT durch das Landeskriminalamt geführten aufwändigen Ermittlungen ergaben , dass die Beschuldigten im Tatzeitraum durch den Verkauf der Schriften des in Istanbul lebenden Anführers der Vereinigung Metin Kaplan sowie durch die Sammlung von Spenden und den Verkauf von Lebensmitteln in einem eigenen Ladenlokal erhebliche Einnahmen erzielten, die sie der Aufrechterhaltung der Vereinigungsstrukturen und dem Lebensunterhalt des selbsternannten "Kalifen" Metin Kaplan zuführten. Mithilfe verdeckter Maßnahmen konnten in Bad Kreuznach und Umgebung insgesamt 10 Personen identifiziert werden, die innerhalb des Vereins für die verbotene Vereinigung tätig sind. Ferner konnte festgestellt werden, dass die in Rheinland-Pfalz ansässigen Beschuldigten intensive Kontakte zu einer in Nordrhein-Westfalen wohnhaften Person pflegten, die offensichtlich dem "Kalifatsstaat" in leitender Position angehört, so dass das Ermittlungsverfahren auch auf diese Person, bei der es sich um den Sohn des Metin Kaplan handeln soll, erstreckt wurde. Zwei der Beschuldigten, die als Hauptverantwortliche der Moschee in Bad Kreuznach fungieren, beteiligten sich ferner überregional an der Durchsetzung von Anordnungen des Metin Kaplan, von dem sie herfür teilweise unmittelbare Anweisungen erhielten. Dem in Nordrhein-Westfalen wohnhaften Beschuldigten liegt zur Last, an herausgehobener Stellung innerhalb der Vereinigung tätig zu sein, Anweisungen des Metin Kaplan an die Beschuldigten in Bad Kreuznach weitergegeben und Schriften des Metin Kaplan innerhalb des Moscheevereins verteilt zu haben. Ferner soll er namhafte Spendengelder entgegengenommen haben.
Die Ermittlungen ergaben zudem den dringenden Verdacht, dass die verbotene Vereinigung über Bad Kreuznach hinaus Kontakte zu Verantwortlichen von Moscheen und Vereinen in weiteren Bundesländern unterhält, die ebenfalls der Ideologie des "Kalifatsstaats" folgen. Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse haben auch die Generalstaatsanwaltschaften Celle und München sowie die Staatsanwaltschaften Düsseldorf, Frankfurt am Main, Karlsruhe und Köln eigene Ermittlungsverfahren eingeleitet. Um eine nachhaltige Zerschlagung der Strukturen des "Kalifatsstaats" zu erreichen und Beweismittelverluste zu vermeiden, haben die beteiligten Ermittlungsbehörden vereinbart, Durchsuchungsbeschlüsse und Haftbefehle zeitgleich zu vollstrecken. Die heutigen Maßnahmen werden vom Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz koordiniert. Insgesamt wurden heute in den betroffenen Bundesländern 50 Objekte durchsucht und 3 Haftbefehle vollstreckt.
In dem von der ZeT geführten Ermittlungsverfahren wurden heute bei 11 Beschuldigten in Bad Kreuznach und Nordrhein-Westfalen sowie in dem Verein in Bad Kreuznach Durchsuchungsbeschlüsse vollstreckt. Ein weiterer Durchsuchungsbeschluss richtet sich gegen einen Schlachtbetrieb, in dem das Fleisch für den Verkauf in dem moscheeeigenen Laden beschafft worden sein soll. Zwei 49 und 62 Jahre alte Beschuldigte aus Bad Kreuznach und der 44-jährige Beschuldigte aus Nordrhein-Westfalen wurden aufgrund bestehender Haftbefehle des Amtsgerichts Koblenz festgenommen.
Zurzeit informieren das Landeskriminalamt und die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz in einer Pressekonferenz über weitere Einzelheiten des heutigen Aktionstages. Auskünfte zu den polizeilichen Maßnahmen in den anderen Bundesländern erteilen die jeweiligen Justiz- und Polizeibehörden.
Hintergrund:
1. Die verbotene Vereinigung "Kalifatsstaat"
Mit Verfügung des Bundesministeriums des Innern vom 08.12.2001 wurde die Vereinigung "Kalifatsstaat" verboten, da sich die Ziele und Zwecke der Vereinigung gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung richteten. Mit Urteil vom 27.11.2002 hat das Bundesverwaltungsgericht die gegen die Verbotsverfügung gerichtete Klage von Vertretern des "Kalifatsstaats" abgewiesen. Die Verbotsverfügung ist seitdem rechtskräftig.
Ausweislich der Feststellungen in der Verbotsverfügung richtet sich die Vereinigung gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung. Die Ideologie des "Kalifatsstaats" erkennt die freiheitlich demokratische Grundordnung nicht an, sondern proklamiert den Vorrang des islamischen Rechts vor den demokratischen Institutionen. Der gläubige Muslim darf sich hiernach keinen Vorschriften und Gesetzen unterwerfen, die nicht von Allah stammen. Unabhängige Gerichte einschließlich der Garantie der sog. Justizgrundrechte lehnt die Vereinigung ab. Als einzig gültiges Recht und Gesetz wird nur die Scharia anerkannt. Nach den Feststellungen in dem Verbotsverfahren richtet sich der sogenannte "Kalifatsstaat" außerdem gegen den Gedanken der Völkerverständigung, da er zum Umsturz in der Türkei zwecks Errichtung eines islamischen Staates aufruft und in hohem Maße aggressive Propaganda gegen den Staat Israel und Juden betreibt.
Die Vereinigung wurde am 25.11.1984 zunächst unter dem Namen" (Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V. Köln ("Islami Cemaatleri ve Cemiyetleri Birligi - ICCB) von Cemalettin Kaplan gegründet. Kaplan vertritt die Auffassung, dass nur durch kompromisslose Verkündung des Islam das Ziel eines islamischen Staates erreicht werden könne.
Am 18.04.1992 rief Cemalettin Kaplan in der Rhein-Mosel-Halle in Koblenz den "Föderativen Islamstaat Anatolien" aus und ließ sich als "Emir der Gläubigen" und - damals noch stellvertretenden - "Kalifen" bestätigen. Nach seinem Tod im Jahr 1995 übernahm sein Sohn Metin Kaplan die Leitung des sogenannten "Kalifatsstaats" und rief sich selbst zum "Kalifen" aus.
Metin Kaplan rief im Jahr 1996 zur Tötung eines Konkurrenten namens Halil Ibrahim Sofu auf, der sich zum "Gegenkalifen" ernannt hatte und erließ eine sog. Todesfatwa. Als Sofu daraufhin am 08.05.1997 von unbekannten Tätern erschossen wurde, wurde Metin Kaplan wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten in zwei tateinheitlichen Fällen durch Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 15. November 2000 zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und nach deren Verbüßung in die Türkei abgeschoben.
2. § 85 StGB. Verstoß gegen ein Vereinigungsgebot
(1) 1Wer als Rädelsführer oder Hintermann im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes den organisatorischen Zusammenhalt - 1.einer Partei oder Vereinigung, von der im Verfahren nach § 33 Abs. 3 des Parteiengesetzes unanfechtbar festgestellt ist, daß sie Ersatzorganisation einer verbotenen Partei ist, oder - 2.einer Vereinigung, die unanfechtbar verboten ist, weil sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet, oder von der unanfechtbar festgestellt ist, daß sie Ersatzorganisation einer solchen verbotenen Vereinigung ist, aufrechterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. 2Der Versuch ist strafbar.
(2) Wer sich in einer Partei oder Vereinigung der in Absatz 1 bezeichneten Art als Mitglied betätigt oder wer ihren organisatorischen Zusammenhalt oder ihre weitere Betätigung unterstützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft
Presseauskünfte:
Generalstaatsanwalt Dr. Jürgen Brauer 0261/1307-30101
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