Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Frankreich
Bielefeld (ots)
Noch ist rätselhaft, wer der oder die Motorroller-Mörder sind, die in der vergangenen Woche drei Soldaten ermordet und Anfang der Woche das tödliche Attentat auf die jüdische Schule in Toulouse verübt haben. Es könnten Neonazis sein, es könnten aber auch Islamisten sein. Die Behörden in Frankreich suchen mit voller Kraft. Die Wahlkämpfer indes haben vor der Präsidentschaftswahl am 22. April ihr Thema gefunden: Frankreichs innere Sicherheit. Beide, der amtierende Staatspräsident Nicolas Sarkozy sowie sein Herausforderer, der Sozialist Francois Hollande, eilten zur jüdischen Schule nach Toulouse und beschworen das Vaterland. Für deutsche Politiker passen solche Volten von Parteifreunden im Nachbarland nicht in das festgefügte Feind- und Parteibild. Ihre Engagements für die Freunde bewegen sich nicht selten hart am Rand der Blamage. So verzichtet Sarkozy plötzlich auf deutsche Wahlhilfe frei nach dem Wort Talleyrands, »dort geht mein Volk, ich muss ihm hinterher, ich bin sein Führer.« In der Tat, die Franzosen mögen Einmischung in ihre Affären nicht, schon gar nicht von einer Seite, die ihnen zeigt, wie man mit Krisen umgeht. Also lud Sarkozy seine Freundin Angela wieder aus, es wird keine gemeinsamen Wahlauftritte geben. Kanzlerin Merkel ist darüber nicht amüsiert. Sie hatte sich für Sarkozy ziemlich weit aus dem Fenster gelehnt. Alles würde sie für ihn tun, sagte sie etwas unbekümmert, mit der Einladung für Wahlveranstaltungen im Hinterkopf. Dass Sarkozy sie per Radiointerview indirekt auslud, war aber die beste Wahlkampfhilfe, die sie für den wahlkämpfenden Freund in Paris leisten kann. Das muss man erstmal verstehen. Aber es ist so: Ein veritabler Auftritt hätte ihm eher geschadet, das Ausladen lässt ihn dagegen als Lenker und Herr der Lage erscheinen. Auch SPD-Parteichef Sigmar Gabriel muss sich nicht so recht wohl in seiner Haut gefühlt haben, als er für seinen Genossen beim großen Sozialistentreffen in Paris für ein Programm trommelte, das er in Deutschland so nicht verteidigen würde. Hollande will eine Einkommenssteuer von 75 Prozent für Reiche einführen - genau das fordert auch Oskar Lafontaine im Namen der Linkspartei. Hollande will den Fiskalpakt neu verhandeln und aufweichen - damit kann Gabriel in Deutschland keine Punkte machen. Dabei ist die Schwankungsbreite nicht nur der französischen Politiker, sondern auch der Wähler groß. Mit seinem Gespür für Fragen der Sicherheit und nationalen Identität ist Sarkozy trotz seiner Wankelmütigkeit näher an den derzeitigen Sorgen der Franzosen als der Sozialist Hollande mit seinem ideologisch aufgeladenen Neidprogramm. Es ist noch alles offen in Frankreich.
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