Rachel: Der bioethische Diskurs muss auf demokratischer Ebene weitergehen
Berlin (ots)
Anlässlich der Übergabe des Enquete-Kommissions-Berichts "Über den Stand der Arbeit" an Bundestagspräsident Wolfgang Thierse erklärt der Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in der Enquete-Kommission "Ethik und Recht der modernen Medizin" Thomas Rachel MdB:
Mit der Übergabe des Berichts "Über den Stand der Arbeit" an Bundestagspräsident Wolfgang Thierse am 07.09.2005 beendet die Enquete-Kommission "Ethik und Recht der modernen Medizin" ihre Tätigkeit.
Rückblickend kann die Arbeit der Enquete-Kommission als erfolgreich und produktiv bewertet werden. Allerdings konnten aufgrund der vorgezogenen Neuwahl und der damit einhergehenden verkürzten Arbeitszeit der Kommission nicht alle Themenbereiche umfassend genug bearbeitet werden.
Positiv hervorzuheben sind die Ergebnisse im Bericht "Menschenwürdig leben bis zuletzt", der auf Initiative der Arbeitsgruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in der Enquete-Kommission beraten wurde. Die Verbesserung der Versorgung sterbender und unheilbar kranker Personen in Deutschland war und bleibt der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ein besonderes Anliegen.
Von herausragender Bedeutung sind die beiden Zwischenberichte "Patientenverfügung" und "Verbesserung der Versorgung Schwerstkranker und Sterbender in Deutschland durch Palliativmedizin und Hospizarbeit". Die Berichte benennen Missstände und enthalten wertvolle Hinweise sowie eine Reihe detaillierter und fundierter Empfehlungen für den Gesetzgeber.
Die rechtliche Verankerung von Patientenverfügungen und die Schaffung von Rechtssicherheit auf diesem Gebiet ist eines unserer wichtigen Ziele gewesen. Auf Vorschlag der Arbeitsgruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion fand die Enquete-Kommission einen Kompromiss zwischen den beim Thema "Reichweite" diametral entgegenstehenden Positionen. Die gefundene Lösung ist für alle tragbar. Sie stützt den Gedanken des Lebensschutzes, ohne das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen unverhältnismäßig zu beschneiden.
Neben diesen beiden Berichten hat die Kommission zudem den Zwischenbericht "Organlebendspende" veröffentlicht und zwei gutachterliche Stellungnahmen für den Ausschuss "Gesundheit und soziale Sicherung" erstellt.
Der heute überreichte Bericht "Zum Stand der Arbeit" soll als Ersatz für den eigentlich geplanten Schlussbericht gelten und einen Überblick über den aktuellen Diskussionsstand in der Kommission geben. In Form von Sachstandsberichten werden die Themenfelder "Verteilungsgerechtigkeit in der Gesundheitsversorgung (Allokation)", "Ethik in der medizinischen und biowissenschaftlichen Forschung", "Menschenwürdig leben bis zuletzt" und "Transplantationsmedizin" vorgestellt und Desiderate formuliert, die auch in der zukünftigen Bioethikdiskussion in Deutschland eine große Rolle spielen werden.
Zu den nicht abgeschlossenen Arbeiten zählt der Berichtsteil der Themengruppe "Transplantationsmedizin" unter anderem das Thema "postmortale Organspende". Hier wird zu einer Aktivierung und Dokumentation der latenten Organspendebereitschaft geraten und als mögliche Lösungsansätze eine verbesserte Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit sowie eine Dokumentation der Willensbekundung empfohlen.
Der Berichtsteil der Themengruppe "Menschenwürdig leben bis zuletzt" weist darauf hin, dass der geplante Bericht zum Thema "Sterbehilfe" aufgrund der vorzeitigen Auflösung des Deutschen Bundestages nicht mehr abgeschlossen werden konnte. Festgehalten werden kann jedoch, dass Einigung darüber bestand, dass die gegenwärtige Rechtslage zur aktiven Sterbehilfe in jedem Fall Bestand haben sollte.
Der Berichtsteil der Themengruppe "Ethik in der biowissenschaftlichen und medizinischen Forschung" befasst sich vornehmlich mit der aktuellen Forschungslandschaft in der Medizin. Vor diesem Hintergrund werden Probleme der Forschung von Seite der Forscher und der Patienten benannt, Lücken hinsichtlich des Schutzes von Patienten und Probanden aus ethischer und rechtlicher Sicht herausgearbeitet und offene Fragen als Desiderate formuliert.
Bei dem Berichtsteil der Themengruppe "Allokation" handelt es sich nach unserer Auffassung um einen politischen Schnellschuss von Rot-Grün, der inhaltlich wenig Substantielles aufzuweisen hat. Aus diesem Grund hat die CDU/CSU-Fraktion in der Enquete-Kommission dem Sachstandsbericht Allokation nicht zugestimmt und hierzu ein Sondervotum verfasst, in dem sie sich kritisch mit der Verfahrensweise auseinandersetzt, andererseits jedoch die Notwendigkeit einer eingehenden Auseinandersetzung mit dem Thema Verteilungsgerechtigkeit betont.
Neben diesem gibt es eine ganze Reihe weiterer Themen, die die Kommission in der verkürzten Wahlperiode nicht mehr behandeln konnte, die jedoch einer gründlichen ethischen und rechtlichen Beschäftigung bedürfen. Hierzu gehören unter anderem die Nanobiotechnologie, die grüne Gentechnik und deren Auswirkungen auf den Menschen, die Perspektiven der molekularen Medizin zwischen Therapie und Verbesserung, Chimärenforschung sowie die neuen Entwicklungen der Stammzellforschung und des Klonens und vieles mehr. Die Fülle dieser bestehenden bioethischen Fragen sowie der rasante wissenschaftliche Fortschritt, der seinerseits immer wieder neue ethische Fragen aufwirft, machen ein dauerhaftes und demokratisch legitimiertes bioethisches Gremium notwendig. Keine Alternative stellt der Nationale Ethikrat dar, da es sich bei diesem um ein Beratungsgremium des Bundeskanzlers handelt, das weder unabhängig noch unvoreingenommen agiert. Keine guten Voraussetzungen, wenn es um die Lösung fundamentaler ethischer Fragen und Probleme geht.
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