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Das Problem mit den rülpsenden Kühen: Faktencheck zur ARD-Sendung "Wissen vor acht - Erde"

Das Problem mit den rülpsenden Kühen: Faktencheck zur ARD-Sendung "Wissen vor acht - Erde"
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Hannover (ots)

Im TV-Format "Wissen vor acht - Erde" unter dem Titel "Das Problem mit den rülpsenden Kühen" moderierte der Arzt und Wissenschaftsjournalist Dr. Eckhart von Hirschhausen am 1. Februar 2023 (Wiederholung vom 11. Mai 2022) die Thematik der Rinderhaltung und deren Auswirkungen auf das Klima. In der 3-minütigen Sendung wurden die Nachteile eines steigenden Fleischkonsums auf das Weltklima und die menschliche Gesundheit erläutert. Da die Sendung durch die Aufmachung eine Art Bildungsauftrag vermittelt, wird im folgenden Faktencheck nachgeprüft, ob sie diesem hohen Anspruch gerecht wird.

Als Aufhänger des Themas wurde die Weltklimakonferenz in Glasgow im Jahr 2021 verwendet, welche sich damit befasste, wie man klimaschädliche Methanemissionen, die 30-mal (Anmerkung der LVN: Aktuell geht man von 28-mal aus - die Bewertung der Klimaschädlichkeit ist wissenschaftlich umstritten siehe https://bit.ly/3xnB8s7) klimaschädlicher als CO2 seien, reduzieren kann.

Im weiteren Verlauf der Sendung wird dargestellt, dass Wiederkäuer und insbesondere Rinder bedeutende Emittenten von Methangas sind und somit der steigende Konsum von Rindfleisch bedeutende Auswirkungen auf das Weltklima hat.

Grundsätzlich sind die Aussagen in dem Beitrag nicht völlig falsch, aber viele der genannten absoluten Zahlen, insbesondere die Emissionen aus der Rinderhaltung, werden missverständlich vereinfacht und müssten im Rahmen eines objektiven wissenschaftlichen Beitrags in eine für den deutschen Zuschauer einschätzbare Relation gesetzt werden. Im Folgenden werden einige relevante Beispiele aufgeführt.

Von Hirschhausen gibt an, dass 40 Prozent des in Deutschland an die Erdatmosphäre abgegebene Methan aus der Rinderhaltung stammt und kommentiert dies sei "echt viel". Bezieht man den Methan-ausstoß in Form von CO2-Äquivalenten (Methan ist 28-mal klimawirksamer als CO2) auf die gesamte Menge an Treibhausgasen, die in Deutschland an die Erdatmosphäre abgeben werden, kommt man zu deutlich anderen Verhältnismäßigkeiten.

Die gesamten Methanemissionen berechnen sich auf 48 Millionen Tonnen CO2 -Äquivalenten, was etwa 6,2 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen aus Deutschland sind.

Dementsprechend sind laut der deutschen Treibhausgasberichterstattung rund 2,4 Prozent der Gesamtemissionen - 40 Prozent der Methanemissionen - auf die Emissionen aus der Rinderhaltung zurückzuführen.

Setzt man also den Methanausstoß der Rinderhaltung mit den gesamten Treibhausgasen, die in Deutschland emittiert werden, ins Verhältnis, so erscheint der Beitrag der Rinderhaltung in einem ganz anderen Licht. Zudem ist die Aussagekraft über den Anteil an den gesamten Treibhausgasemissionen viel zielführender für eine Urteilsfindung als der Anteil an den Emissionen eines Treibhausgases, welches ohnehin über CO2- Äquivalente in die gesamten Treibhausgasemissionen eingerechnet wird (siehe https://bit.ly/3YPyEhZ).

Weiter bleiben bei "Wissen vor acht" die Erkenntnisse der Oxford Studie aus dem Jahr 2018 über kurzlebige Treibhausgase unberücksichtigt (siehe https://go.nature.com/2xJFY7d).

Hiernach führt eine konstante Emissionsrate von kurzlebigen Treibhausgasen, wie beispielsweise Methan, zu keiner Änderung der Erderwärmung, da sich das Gas nach circa 12 Jahren in der Atmosphäre abbaut. Dies bedeutet, dass Methan aus der Viehhaltung bei gleichbleibenden Rinderbeständen in einem immerwährenden Kreislauf bleibt und nicht zur Erderwärmung beiträgt. Abnehmende Rinderbestände könnten demnach sogar zur Minderung der globalen Temperatur führen, während zunehmende Bestände zu einer umso stärkeren Erwärmung führen würden.

Für Deutschland lässt sich feststellen, dass sich der Rinderbestand seit dem Jahr 1990 bis 2022 um 8,51 Millionen Tiere bzw. um 44 Prozent reduziert hat. Das Umweltbundesamt konstatiert in seiner Pressemeldung vom 15.03.2022: "Im Sektor Landwirtschaft gingen die Treibhausgasemissionen um gut 1,2 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente (minus 2,0 Prozent) auf 61 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente zurück." Mit diesen Zahlen liegt die Landwirtschaft gegenüber anderen Sektoren weit vorn, denn sie ist neben der Abfallwirtschaft der einzige Sektor, der bislang die deutschen Klimaziele erreicht. Selbst ohne Berücksichtigung der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse aus der obig genannten Studie liegt die Landwirtschaft anteilig mit 8 Prozent deutlich unter der für 2021 im Bundes-Klimaschutzgesetz festgelegten Jahresemissionsmenge von 68 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten.

Laut Thünen Institut (Institut für Agrarklimaschutz, Pressemeldung vom 25.05.2022) resultiert der Rückgang der Emissionen primär aus dem Rückgang der Rinderbestände. Weiter wird ein Rückgang der Emissionen auf die zunehmende Bedeutung der anaeroben Vergärung von Wirtschaftsdünger in Biogasanlagen und der teilweise gasdichten Lagerung von Gärresten zurückgeführt.

In der Sendung "Wissen vor acht", die sich in erster Linie an deutsche Zuschauer richtet, wird von Dr. Eckart von Hirschhausen konstatiert, dass sich der weltweite Fleischkonsum in den letzten 20 Jahren um 50 Prozent gesteigert hat. Mit dieser Aussage wird suggeriert, dass der Fleischkonsum in Deutschland ebenfalls weiter steigt.

Für Deutschland ergibt sich jedoch eine andere Datengrundlage: Der Pro-Kopf-Verbrauch von Rind- und Kalbfleisch hat sich in Deutschland seit dem Jahr 1996 bis ins Jahr 2021 um 1,1 kg verringert (Quelle BLE, 2022). Insgesamt sinkt die gewerbliche Fleischproduktion in Deutschland bei allen Fleischarten in den vergangenen Jahren deutlich. Rindfleisch macht insgesamt den geringsten Anteil aus - Tendenz weiter fallend.

Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) liegen Männer mit einem wöchentlichen Fleischverzehr von etwa 1.100 g Fleisch pro Woche ca. 500 g über dem empfohlenen Orientierungswert. Frauen liegen mit 590 g Fleisch pro Woche an der oberen Grenze des empfohlenen Orientierungsbereichs. Rind -und Kalbfleisch tragen mit einem rechnerischen Verzehr von 180 g/Woche lediglich geringfügig zum Gesamtfleischverzehr der deutschen Bevölkerung bei.

Vor dem Hintergrund der geschilderten Fakten erscheint der Appell am Ende der Sendung, Fleisch, und insbesondere Rindfleisch, von der globalen Speisekarte zu streichen, um damit das globale Klima und die menschliche Gesundheit zu retten, in beiderlei Hinsicht als fehlgerichtet. Sicherlich ist ein starker weltweiter Anstieg des Fleischkonsums kritisch einzustufen, dies jedoch pauschal auf den deutschen Konsum und die deutsche Produktion zu übertragen, ist falsch.

Laut Prof. Dr. Wilhelm Windisch (TU München) sind für eine zukünftige Erzeugung von Lebensmitteln beide Kreisläufe, die Pflanzenproduktion und die Nutztierhaltung, notwendig: "Insgesamt muss die Erzeugung von Lebensmitteln Umwelt und Klima möglichst wenig belasten. Das kann nur durch ein ausbalanciertes Gleichgewicht aus veganer und tierischer Produktion gelingen. Entscheidend ist der völlige Verzicht auf Nahrungskonkurrenz in der Nutztierfütterung. D.h. wir müssen mit der Biomasse insgesamt verantwortungsvoller umgehen: Alles, was essbar ist, gehört auf den Teller. Was wir nicht essen können, gehört in den Trog."

Weiter sprachen sich kürzlich über 650 Wissenschaftler in der Dubliner Erklärung für die Nutztierhaltung als Ergänzung zur pflanzlichen Ernährung aus (Dublin Declaration of Scientists on the Social Role of Livestock). Aus Sicht der Wissenschaftler sei es nützlicher, Tierhaltungssysteme auf Grundlage höchster wissenschaftlicher Standards weiterzuentwickeln. Insgesamt sei die Nutztierhaltung viel zu wertvoll für die Gesellschaft, als dass sie das Opfer von Vereinfachung, Reduzierung oder Fanatismus werde, so heißt es in der Eröffnung der Dubliner Erklärung (siehe https://bit.ly/3YvlRkU).

Es wird vor dem Hintergrund der für Deutschland geltenden Zahlen deutlich, dass die Klimafrage sicherlich nur zu einem sehr geringen Teil durch die Ernährungsentscheidung deutscher Verbraucher beeinflusst wird. Zur objektiven Vermittlung von Wissen sollten in einem Format, welches sich als "Wissen vor acht - Erde" bezeichnet, Zahlen in einen Gesamtzusammenhang gesetzt werden, damit sich der Zuschauer auch ein Bild von den tatsächlichen Verhältnismäßigkeiten machen kann. Zudem sollten breite wissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigt werden.

Die Rinderhaltung in Deutschland hat an den weltweiten THG-Emissionen einen Anteil von 0,07 Prozent. Die Priorisierung der Maßnahmen, um den weltweiten Klimawandel zu verlangsamen, liegt sicherlich in anderen Sektoren, wo ein deutlich größerer Hebel für THG- Einsparungen liegt.

Fazit:

Die im Format "Wissen vor acht - Erde" getätigten Aussagen zur Klimawirkung der Rinderhaltung und zu den negativen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit fußen auf Aussagen und Zahlenbeispielen, die für die Situation in Deutschland wenig Aussagekraft haben. Aktuelle wissenschaftliche Studien und Veröffentlichungen wurden nicht berücksichtigt. Die Forderung von Dr. Eckart von Hirschhausen, Rindfleisch von der globalen Speisekarte zu streichen, steht im Widerspruch zu zahlreichen internationalen wissenschaftlichen Studien. Zudem ist die Aussage sehr pauschal, da die unterschiedlichen Bedingungen in den verschiedenen Ländern nicht berücksichtig werden - in Deutschland erzeugtes Rindfleisch stammt vielfach als Koppelprodukt aus der Milchviehhaltung.

Unser Faktencheck zeigt, wie komplex die Zusammenhänge im Bereich der Klimawirkung von Rindfleisch sind. Wir sind der Meinung: Drei Minuten sind definitiv zu kurz, um Verbraucher seriös und umfassend über dieses Thema zu informieren.

Über DIALOG MILCH

DIALOG MILCH ist eine gemeinsame Initiative der Landesvereinigungen der Milchwirtschaft in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, in deren Rahmen verschiedene einzelne und auch gemeinsame Maßnahmen durchgeführt werden. DIALOG MILCH hat es sich zur Aufgabe gemacht, kritische Fragen rund um die Milchwirtschaft aufzugreifen, selbstreflektiert ins Gespräch mit Verbrauchern und Journalisten zu gehen und die nachhaltigen und zukunftsweisenden Wege, die die Milchbranche bereits eingeschlagen hat, darzustellen.

Pressekontakt:

Christine Licher
- Leitung Öffentlichkeitsarbeit und Werbung -
Landesvereinigung der Milchwirtschaft Niedersachsen e.V.
Seelhorststraße 4 | 30175 Hannover
Tel. 0511 85 653-21 | Fax -98
E-Mail: licher@milchland.de

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