Nur auf den ersten Blick sinnvoll
Die Kinderschutz-Zentren und das Deutsche Institut für Jugendhilfe und Familienrecht kritisieren geplante Anzeigepflicht bei sexueller Gewalt gegen Kinder
Köln / Heidelberg (ots)
Mit Unverständnis reagieren Die Kinderschutz-Zentren und das Deutsche Institut für Jugendhilfe und Familienrecht auf das Gesetzesverfahren zur Änderung des Sexualstrafrechts, das heute im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages beraten wird. Die Änderung des Sexualstrafrechts ist Teil des vom Bundeskabinett am 29. Januar 2003 verabschiedeten Aktionsplans zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung. Unter anderem sieht der Gesetzentwurf eine Strafbarkeit bei Nichtanzeige von geplanten Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung von Kindern vor.
Die Kinderschutz-Zentren, die derzeit mit zahlreichen Projekten bei der Umsetzung des Aktionsplans mitwirken, sind erstaunt, dass die Kenntnisse und Erfahrungen der Fachleute aus Kinderschutz und Jugendhilfe von den Abgeordneten der Regierungskoalition nicht zur Kenntnis genommen wurden. Weder in der Vorbereitung des Gesetzentwurfs noch in der heutigen Sachverständigenanhörung vor dem Rechtsausschuss des Bundestags sind sie beteiligt worden.
Aus diesem Grund haben Die Kinderschutz-Zentren und das Deutsche Institut für Jugendhilfe und Familienrecht (DIJuF) in schriftlicher Form den Mitgliedern des Rechtsausschusses zwei detaillierte Stellungnahmen zukommen lassen.
Daraus geht hervor, dass es im Interesse der Kinder und der sie schützenden Erwachsenen besser wäre, wenn sich die Gesetzesreform stärker an den Erfahrungen und Einschätzungen von Experten der Jugendhilfe orientiert, man differenzierter auf die Lebenssituation und die spezifischen Hilfeanliegen der Kinder schaut. "Wenn es wirklich zu einer Anzeigenpflicht im Sinne des neuen §138 Strafgesetzbuch kommen sollte, hätte dies für eine Vielzahl der betroffenen Kinder dramatische Folgen. Statt zu mehr Hilfe kommt es zu mehr Vertuschen und zu zusätzlichem psychologischen Druck. Die Kinder stehen dann endgültig allein mit ihrem Problem," befürchtet Arthur Kröhnert, Geschäftsführer der Kinderschutz-Zentren Deutschland.
Aus diesem Grund muss aus Sicht der Verbände die geplante Neuregelung in §§ 138, 139 StGB zurückgenommen werden. "Die Anzeigepflicht ist gut gemeint, wird aber die Lage der Kinder nicht verbessern," warnt Dr. Thomas Meysen, Fachlicher Leiter des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht vor allzu viel Aktionismus. "Anzeigen bei Polizei oder Staatsanwaltschaft setzen eine Dynamik strafrechtlicher Ermittlungen in Gang, die im schlimmsten Fall zur Abschottung der Familie führt. Den betroffenen Kindern ist damit ungewollt der Zugang zur Hilfe versperrt."
Die Kinderschutz-Zentren und das Deutsche Institut für Jugendhilfe und Familienrecht fordern darum den Gesetzgeber nicht nur auf, die geplanten Änderungen in §§ 138, 139 StGB zurückzunehmen, sondern weisen ihrerseits auf eine Schwachstelle im Gesetzesbereich hin, deren Beseitigung in der Tat zu einer Verbesserung der Situation beitragen würde: Dringend erforderlich ist es, Fachkräften in der Jugendhilfe ein Aussageverweigerungsrecht einzuräumen. Dies würde Betroffenen eher den Schritt aus ihrer persönlichen Isolation öffnen, da sie sicher sein könnten, hier den notwendigen Vertrauensschutz zu finden.
Ein klar umrissenes Aussageverweigerungsrecht, wie es schon seit vielen Jahren für das familiengerichtliche Verfahren gilt, muss auch auf das Strafprozessrecht ausgedehnt werden.
Die Stellungnahmen finden sie jeweils auf den Internetseiten unter:
http://www.kinderschutz-zentren.org/ksz_news1-5.html
http://www.dijuf.de/german/jamt.html
Pressekontakt:
Arthur Kröhnert
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