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Deutsche Umwelthilfe e.V.

Umweltgesetzbuch: Bundesregierung vor Offenbarungseid

Berlin (ots)

Gemeinsame Pressemitteilung
Zentrales umweltpolitisches Reformprojekt der laufenden 
Legislaturperiode vor dem Aus -
Öko-Institut, Deutsche Umwelthilfe und Unabhängiges Institut für 
Umweltfragen kritisieren "innere Widersprüche und Klientelpolitik 
statt Konzentration auf Klarheit und Zukunftsfähigkeit" - "lose-lose"
Situation droht
Berlin, 17. Dezember 2008: Mit dem bevorstehenden Aus für das in 
ungezählten politischen Gremien und Juristenrunden seit Jahren 
vorbereitete einheitliche Umweltgesetzbuch droht die Bundesregierung 
an ihren inneren Widersprüchen und der Klientelpolitik zu scheitern. 
Das erklärten in einer gemeinsamen Mitteilung das Öko-Institut, die 
Deutsche Umwelthilfe (DUH) und das Unabhängige Institut für 
Umweltfragen (UfU), nachdem die Verabschiedung der UGB-Vorlage heute 
zum wiederholten Mal von der Tagesordnung der Kabinettssitzung 
genommen wurde. In jedem Fall ist damit ein echtes parlamentarisches 
Verfahren und ein angemessener Diskurs zum Entwurf nicht mehr 
möglich, selbst wenn die Koalition in einigen Wochen in einer 
Notoperation noch einen an den Bedürfnissen der Industrie 
orientierten Entwurf ins Verfahren einbringen sollte.
Seit der Anhörung der Verbände im Juni 2008 war hinter den 
Kulissen der Koalition geschachert worden. Es wurden Forderungen nach
so weitgehenden Zugeständnissen erhoben, dass deren Umsetzung die 
Grundausrichtung des Entwurfs erheblich verändern würde. Was als 
transparentes Verfahren begann, endet enttäuschend wie jedes der 
jüngsten Reformwerke und die Föderalismusreform: ohne externe oder 
parlamentarische Reflexion des Ergebnisses. Experten der drei 
Institute und Organisationen hatten die Diskussionen über eine 
Vereinheitlichung des deutschen Umweltrechts seit Antritt der Großen 
Koalition kontinuierlich fachlich begleitet.
Die Rechtsexperten der Institute und der Umweltorganisation 
bedauern insbesondere, dass  Teile des Regelwerks immer wieder aus 
dem Landwirtschafts- und dem Wirtschaftsministerium in Frage gestellt
worden seien, zuletzt auch von der Bundestagsfraktion der Union und 
vor allem der CSU. "Wir haben von Anfang kritisiert, dass die 
Bundesregierung keine umweltpolitischen Ansprüche an das Gesetzbuch 
formuliert hat, sondern vor allem rechtspolitische. Statt das UGB als
Chance für ein echtes Reformwerk zu nutzen, führte die selbst 
auferlegte Restriktion, auch Standardänderungen zugunsten der Umwelt 
auszuschließen, in die Sackgasse. Denn auf  Druck der Industrie sowie
von Lobbyisten aus Bayern - teilweise unter Berufung auf angeblich 
entstehende Unsicherheiten, ob Gerichte hierin eine Erhöhung sehen 
könnten - enthielt Version um Version des Entwurfs weniger 
rechts-konsolidierende oder innovative Elemente, sondern zitierte 
lediglich das geltende Recht. Damit ist nun sogar der 
rechtspolitische Nutzen der Reform fraglich. Ganz zu schweigen davon,
dass dabei die großen Zukunftsfragen wie der Klimawandel, der Verlust
an Biodiversität oder der nach wie vor viel zu hohe Flächenverbrauch 
unter die Räder gerieten". Hingegen waren keine der von Umweltseite 
im Verlauf des bisherigen Verfahrens eingebrachten Forderungen 
berücksichtigt worden.
Regine Barth, die Leiterin Umweltrecht beim Öko-Institut, 
erinnerte daran, dass die Bundesregierung an dem Reformwerk trotz 
starker Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat und trotz einer selten 
einmütigen Unterstützung des Vorhabens in der  Wissenschaft und aus 
den Umweltverbänden zu scheitern drohe. "Angesichts der historischen 
Herausforderungen beim Klimaschutz und dem Erhalt der Biodiversität 
war es das Gebot der Stunde, Deutschland fit zu machen für die 
Zukunft und seine umweltpolitische Vorreiterrolle in der EU zu 
sichern." Stattdessen habe die Regierung alle Versuche, das 
"umweltpolitische Anforderungsniveau" anzuheben aufgegeben und damit 
die ursprüngliche Intention ad absurdum geführt. Barth: "Ein 
Reformwerk, das auf jegliche Reform verzichtet und faktisch nur 
bestehende Gesetze hintereinander reiht, macht sich letztlich 
überflüssig".
Enttäuscht zeigten sich DUH, UfU und Öko-Institut vor allem, weil 
die Fachabteilungen im Bundesumweltministerium in Abstimmung mit den 
Umweltministerien der Länder zunächst ein zwar umweltpolitisch 
angesichts der Vorgaben der Koalition enttäuschendes, aber noch 
vertretbares Paket zur fachlichen Diskussion vorgelegt hatten. Leider
habe die Bundesregierung es nicht geschafft, diesen Aufschlag zu 
nutzen und damit eine Grundlage für mögliche Weiterentwicklungen und 
Ergänzungen in den nächsten Jahren zu schaffen. Ganz offensichtlich 
verkenne die Bundesregierung, dass dieses Scheitern die Idee des UGB 
über ein Jahrzehnt oder länger zurückwirft.
"Nach zwei Jahrzehnten der Diskussion ist die Zeit überreif für ein 
einheitliches Umweltgesetzbuch, das sich nicht begnügt mit einer 
Zusammenfassung des Bestehenden, sondern entschieden die großen 
Zukunftsherausforderungen annimmt", sagte Cornelia Nicklas, Leiterin 
Recht der DUH. Deutschland müsse sich auch in seinem 
Umweltrechtssystem auf die großen Zukunftsherausforderungen 
einstellen. Die Genehmigungspraxis für klimarelevante Kraftwerke, die
Eingriffsregelung im Naturschutzrecht oder die Einführung einer 
Grundpflicht zur Minimierung des Flächenverbrauchs seien nur einige 
Beispiele, wo dringender Handlungsbedarf bestehe. "Die Große 
Koalition wird im Wahljahr zu einer Belastung für die 
Zukunftsfähigkeit Deutschlands", sagte Nicklas angesichts der 
drohenden Aufgabe des UGB-Projekts in der laufenden 
Legislaturperiode.
Auf vielen Gebieten würden mögliche Fortschritte im deutschen 
Rechtssystem erneut auf unbestimmte Zeit verschoben, beklagte Michael
Zschiesche, der Leiter Fachgebiet Umweltrecht & Partizipation des 
UfU. So "sollte mit dem UGB endlich eine wirksame Bürgerbeteiligung 
im Umweltrecht für alle Vorhaben eingeführt werden, die für Nachbarn 
oder die Umwelt relevante Folgen haben können und daher eine 
vorherige Konsultation erfordern. Dazu gehören mehr Transparenz und 
mehr Erläuterung und Dialog mit den Bürgern und den Umweltgruppen. 
Stattdessen plant die Regierung jetzt für weitere Verfahren die 
Öffentlichkeitsbeteiligung abzuschaffen und auch die 
europarechtswidrige Umgehung der Pflicht zur Durchführung einer 
Umweltverträglichkeitsprüfung, wenn verschiedene Anlagen im 
räumlichen Zusammenhang betrachtet werden müssen, wird beibehalten."
Nachdem der nahezu fertig gestellte Entwurf des Umweltgesetzbuches
in diesem Jahr nicht  mehr in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht 
wird, dürfte eine fristgerechte Verabschiedung vor der Bundestagswahl
kaum mehr möglich sein. Die Verabschiedung fände zudem ohne jegliche 
externe fachliche Reflexion des im Geschacher substanziell geänderten
Entwurfs statt. Ein solches Vorgehen hat sich schon bei der 
Föderalismusreform als schwere Hypothek erwiesen. Die längst 
überfällige Kodifizierung des deutschen Umweltrechts wird faktisch 
erneut um ein Jahrzehnt oder länger zurückgeworfen.
Öko-Institut, Deutsche Umwelthilfe und Unabhängiges Institut für 
Umweltfragen erinnern daran, dass das im Rahmen der 
Föderalismusreform verabredete Moratorium für Abweichungsrechte der 
Länder beim Wasser- und Naturschutzrecht am 31. Dezember 2009 ende. 
Dafür sei das bisherige Rahmenrecht nicht gerüstet. Ohne 
Umweltgesetzbuch drohten langwierige Rechtsstreitigkeiten über die 
Auslegung der Verfassung zu den abweichungsfesten Kernen, unnötige 
Kosten und eine Vervielfachung möglicher Unsicherheiten bei der 
Umsetzung des europäischen Rechts. Es droht der worst case, die "lose
- lose" Situation: Übereilte Verabschiedung eines in wesentlichen 
Elementen den Anforderungen nicht gerecht werdenden Umweltgesetzbuchs
oder verfassungsrechtliches Chaos beim Wasserrecht und Naturschutz, 
beides Materien, die in nahezu allen Planungs- und 
Genehmigungsverfahren zentrale Rollen einnehmen.

Pressekontakt:

Regine Barth, Leiterin Forschungsbereich Umweltrecht & Governance,
Öko-Institut e. V. - Büro Darmstadt, Rheinstraße 95,
64295 Darmstadt, Tel.: 06151 8191-30, Fax: 06151 8191-33,
E-Mail: r.barth@oeko.de

Dr. Cornelia Nicklas, Leiterin Recht, Deutsche Umwelthilfe e. V.,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 2400867-18;
Fax: 030 2400867-19, E-Mail: nicklas@duh.de

Michael Zschiesche, Geschäftsführer Unabhängiges Institut für
Umweltfragen e. V., Greifswalder Straße 4, 10405 Berlin,
Tel.: 030 4284993-31, Fax: 030 428004-85, E-Mail: recht@ufu.de

Original-Content von: Deutsche Umwelthilfe e.V., übermittelt durch news aktuell

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