Deutsche Umwelthilfe fordert Standards für den Schutz der biologischen Vielfalt im Waldgesetz
Berlin (ots)
Bundesregierung will Änderung des Bundeswaldgesetzes ohne ökologische Mindeststandards und ignoriert dabei die eigene Nationale Biodiversitätsstrategie - DUH fordert den Bundestag auf, die Versäumnisse der Regierung zu korrigieren und den Naturschutz im Bundeswaldgesetz zu verankern
Mit Befremden hat die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) festgestellt, dass die Bundesregierung bei der Änderung des Bundeswaldgesetzes keine ökologischen Mindeststandards für den Erhalt der biologischen Vielfalt vorsieht. Noch bei der Eröffnung des UN-Jahrs der Biologischen Vielfalt hatte Kanzlerin Angela Merkel große Defizite bei der Zielerreichung eingeräumt und "neuen Schwung" angekündigt, um den Verlust an Lebensräumen und Arten zu stoppen. Jetzt leitet Merkel dem Bundestag eine Änderung des Bundeswaldgesetzes zu, die sich ausschließlich auf wirtschaftliche und juristische Fragen beschränkt. "In Sonntagsreden warnt Kanzlerin Merkel gern vor dem Verlust an Arten und Lebensräumen, verpasst aber jede Gelegenheit, um für eine Verbesserung der biologischen Vielfalt zu sorgen", sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake. "Wir appellieren an den Bundestag, den Erhalt der biologischen Vielfalt als besonderes Schutzziel im Bundeswaldgesetz zu verankern."
Der Schutz von Arten und Lebensräumen kommt im Gesetzentwurf zur Änderung des Bundeswaldgesetzes nicht vor. Das Bundeskabinett hat den Entwurf des Bundesrates in der vergangenen Woche mit Ergänzungen an den Bundestag weitergeleitet. Der Entwurf fußt auf einem Vorschlag Niedersachsens. Da der Wald das wichtigste Ökosystem in Mitteleuropa und entscheidend für die biologische Vielfalt in Deutschland ist, müssen jedoch dringend ökologische Mindeststandards für die Bewirtschaftung von Wald in das Bundeswaldgesetz aufgenommen werden. Zum Erhalt der biologischen Vielfalt in Deutschland sind mehr arten- und strukturreiche, naturnahe und gesunde Wälder erforderlich. "Die Bundesregierung muss dafür sorgen, dass die Wälder vor Übernutzung geschützt werden, um die biologische Vielfalt der Waldökosysteme zu erhalten", sagte Ulrich Stöcker, Leiter Naturschutz der DUH.
Die DUH ruft den Bundestag auf, im bevorstehenden Gesetzgebungsverfahren die Versäumnisse der Bundesregierung zu korrigieren. Insbesondere die so genannte "gute fachliche Praxis" in der Forstwirtschaft müsse Eingang ins Gesetz finden. "Besonders wichtig für artenreiche Waldlebensräume sind ein genügend großer Anteil an Tot- und Altholz, der Vorrang einheimischer Gehölze im Waldbau, die strenge Reglementierung von Bioziden und ein grundsätzlicher Verzicht auf Kahlschläge", betonte Stöcker.
Die "Nationale Strategie für Biologische Vielfalt", die die Bundesregierung am 7. November 2007 verabschiedet hatte, sieht vor, dass die Inhalte einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung im Bundeswaldgesetz verankert werden. In der Koalitionsvereinbarung zwischen CDU/CSU und FDP vom November 2009 ist von der Einführung ökologischer Kriterien bei einer Neufassung des Bundeswaldgesetzes keine Rede mehr. Der Bundesrat hatte am 12. Februar 2010 auf Initiative Bayerns eine Entschließung verfasst (Drucksache 51/1/10). Darin wendet sich der Bundesrat von der Einführung ökologischer Kriterien in das Bundeswaldgesetz ab. Eine deutliche Absage erteilt der Bundesrat auch dem ehemals vorgesehenen Vorrang heimischer Baumarten und dem grundsätzlichen Verzicht auf Kahlschläge.
Hintergrund: Der Wald Naturnahe Wälder sind die wichtigsten Lebensräume für wildlebende Tier- und Pflanzenarten in Mitteleuropa. Perfekt aufeinander abgestimmt greifen im Wald die Prozesse von Verfall und Leben ineinander und bilden die Lebensgrundlage für eine Vielzahl von Sträuchern, Bäumen, Blumen, Pilzen, Kröten, Vögeln, Insekten und Säugetieren. Viele Waldbewohner wie Hirschkäfer und Schwarzspecht, Schwarzstorch und Wildkatze oder auch der in einigen Regionen wieder angesiedelte Luchs haben in anderen Lebensräumen keine Chance.
Der Wald liefert also nicht nur Holz, sondern erfüllt wichtige Funktionen für den Erhalt der biologischen Vielfalt, den Schutz des Grundwassers und auch für den Klimaschutz. Ohne den Wald hätte die Menschheit nicht überlebt und auch heute ist der Wald für die Erholung des Menschen unverzichtbar. Knapp ein Drittel (31,1 Prozent) der Landesfläche Deutschlands ist noch von Wald bedeckt, doch in vielen Gegenden herrschen die einzig zur Holzgewinnung angebauten artenarmen Fichten- und Kiefernforste vor.
Die biologische Vielfalt in den Wäldern ist bedroht. Denn meistens bestimmen die Renditeerwartungen von Waldbesitzern, wie ein Wald aussieht und welchen Wert er für die Natur haben darf. Die meisten Bäume werden daher lange vor ihrem natürlichen Ende geerntet. Das für das Ökosystem Wald entscheidende Tot- und Altholz wird zunehmend aus dem Wald geholt und zu Hackschnitzeln oder Holzpellets verarbeitet. Die natürlicherweise in Mitteleuropa vorherrschenden Buchen und Eichen bilden nur noch 14,8 bzw. 9,6 Prozent des Waldes in Deutschland.
Intakte Wälder mit verschiedenen Altersstufen sind entscheidend für den Klimaschutz. Die jährliche Kohlenstoff-Einbindung in den deutschen Wäldern entspricht ca. 15 Prozent der durchschnittlichen jährlichen in privaten Haushalten direkt erzeugten CO2-Emissionen der letzten Jahre. Der eingelagerte Kohlenstoff bleibt während eines Baumlebens klimasicher verwahrt - 270 Kilogramm Kohlenstoff stecken in jedem Kubikmeter Holz. Zusammen mit den Nadeln und Wurzeln summiert sich der Speicher in Deutschland auf umgerechnet 4,4 Milliarden Tonnen CO2. Ein Hektar Wald speichert im Durchschnitt 13 Tonnen CO2 im Jahr. Die selten gewordenen Feucht- und Auenwälder speichern sogar bis zu 30 Tonnen pro Hektar und Jahr.
Mit dem Ziel, positive Beispiele für den Schutz und Erhalt der biologischen Vielfalt in Deutschlands Wäldern zu schaffen, haben die DUH und T-Mobile Deutschland im vergangenen Herbst den "Naturschutzfonds Lebendige Wälder" eingerichtet. Dieser fördert derzeit fünf vorbildliche Naturschutzprojekte in Deutschland, die für den Erhalt von Wäldern und den darin lebenden Tieren und Pflanzen sorgen.
Während sich zwei der geförderten Projekte am Bodensee und an der Weser um den Erhalt und die Wiederherstellung des gefährdeten Ökosystemtyps Auwald bemühen, unterstützen die anderen drei Projekte den Lebensraum der bedrohten Waldbewohner Haselmaus in der Oberlausitz, Haselhuhn im Thüringer Wald sowie der Käferarten Alpenbock und Hirschkäfer im Biosphärengebiet Schwäbische Alb.
Pressekontakt:
Rainer Baake, Bundesgeschäftsführer, Deutsche Umwelthilfe e.V.,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.:030 2400867-0, baake@duh.de
Ulrich Stöcker, Leiter Naturschutz, DUH, Hackescher Markt 4, 10178
Berlin, Tel.: 030 2400867-81, stoecker@duh.de
Ulrike Fokken, Sprecherin Politik & Presse, DUH, Hackescher Markt 4,
10178 Berlin, Tel.: 030 2400867-86, 0151 55017009, fokken@duh.de
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