Klimaziel-Vorschlag der EU-Kommission ist Mogelpackung: Deutsche Umwelthilfe fordert wissenschaftlich fundierte Zielvorgaben zur Einhaltung der Pariser Klimaziele
Berlin (ots)
- Kommission schlägt verwässertes 55 Prozent CO2-Reduktionsziel bis 2030 vor
- Wissenschaftlich notwendig für Erreichung der Pariser Klimaziele wären mindestens 65 Prozent
- DUH lehnt Ausweitung des Emissionshandels auf Straßenverkehr und Gebäude wegen fehlender Lenkungswirkung ab und fordert Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor ab 2025
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisiert das heute von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verkündete CO2-Reduktionsziel von 55 Prozent bis 2030 als Mogelpackung. Erstmals fließen auch Aufforstung und Landnutzungsmaßnahmen mit ein, so genannte CO2-Senken. Nach ersten Berechnungen schwächen diese das Klimaziel um 2,5 Prozent. Die Europäische Kommission veröffentlicht morgen ihren Vorschlag für ein erhöhtes EU-Klimaziel sowie die dazugehörige Folgenabschätzung. Der DUH liegt bereits ein Leak dazu vor.
DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner: "Die EU-Kommission nutzt klimapolitische Taschenspielertricks. Durch die neue Berechnungsmethode müssen die Mitgliedstaaten entsprechend weniger reale Emissionsreduktionen erbringen. Bereits ein 55 Prozent-Ziel ohne diese Verwässerung wäre unzureichend, denn mindestens 65 Prozent sind notwendig, um das Pariser Klimaabkommen noch einhalten zu können. Der Umweltausschuss des EU-Parlaments hat sich vergangene Woche zumindest für eine Erhöhung auf 60 Prozent ausgesprochen. Jetzt müssen die Mitgliedstaaten nachziehen. Die deutsche Ratspräsidentschaft muss sich auf den kommenden EU-Ratstreffen für ein Klimaziel in angemessener Höhe und ohne Schlupflöcher einsetzen."
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH, kommentiert: "Die Einführung eines Emissionshandels im Straßenverkehr verwässert die bisherigen Klimaschutzmaßnahmen im Verkehrssektor. Statt auf wirkungslose Scheinlösungen zu setzen, muss die Kommission die anstehende Revision der CO2-Flottengrenzwerte ambitioniert umsetzen. Die von der Kommission anvisierte Reduktion um 50 Prozent im Vergleich zu 2021 ist jedoch immer noch zu schwach. Wir fordern einen vollständigen Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor ab 2025."
Die DUH kritisiert, dass die Kommission einen Paris-konformen Zielpfad gar nicht erst berechnet hat. Dabei zeigt die von der Kommission für ihren Vorschlag durchgeführte Folgenabschätzung zu dem verwässerten 55-Prozent Ziel, dass deutlich mehr möglich gewesen wäre. Die geplante Anhebung des Klimaziels ist demnach mit zahlreichen positiven Nebeneffekten verbunden. So würden allein in Gesundheitssystemen über 100 Milliarden Euro durch geringere Luftverschmutzung gespart werden. Und auch Brennstoffimporte in Höhe von 100 Milliarden Euro könnten vermieden werden. Wenn sich die Kommission ehrgeizigere Klimaziele gesetzt hätte, wären nach Ansicht der DUH die positiven Effekte noch weitaus höher ausgefallen.
Erreicht werden soll das nun vorgeschlagene Klimaziel vor allem durch eine Ausweitung des Emissionshandels auf den Straßenverkehr und den Gebäudesektor. Wegen hoher CO2-Vermeidungskosten in diesen Bereichen kann der Emissionshandel hier aber keine nennenswerte Lenkungswirkung entfalten. Das zeigte erst kürzlich eine Studie von Transport & Environment. Die EU-Kommission schlägt damit die Einführung industriefreundlicher Scheinlösungen vor und keine strukturelle Transformation des Verkehrs- und Gebäudesektors hin zu Klimaneutralität.
Mit der Erweiterung des Emissionshandels plant die Kommission zugleich eine Schwächung und perspektivisch sogar Abschaffung der Lastenteilungsentscheidung ("Effort Sharing"), die als einziges EU-Instrument verpflichtende CO2-Reduktionsziele auf Ebene der Mitgliedstaaten vorsieht. Damit könnten Nationalregierungen aus der Verantwortung entlassen werden, bestehende verbindlich nationale Minderungsziele im Verkehrs- und Gebäudesektor einzuhalten.
Die Verabschiedung eines höheren 2030-Ziels für die EU ist im Rahmen der UN-Klimaverhandlungen geboten und selbsterklärtes zentrales Ziel der deutschen Ratspräsidentschaft. Zunächst wird sich der Umweltministerrat Ende September mit dem Kommissionsvorschlag befassen. Eine Einigung zum 2030-Ziel wird beim Europäischen Ratsgipfel im Oktober oder Dezember erwartet.
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