Europäische Wasserrahmenrichtlinie: Deutsche Umwelthilfe kritisiert jahrzehntelange Versäumnisse der Bundesländer und fordert wirksame Maßnahmen zum Gewässerschutz
Berlin (ots)
- Deutsche Gewässer überschreiten auch 20 Jahre nach Inkrafttreten der Wasserrahmenrichtlinie flächendeckend Grenzwerte für gesundheitsschädliches Nitrat und Quecksilber
- Zuständige Landesregierungen nehmen mit unzureichenden Maßnahmen weiterhin Verfehlen europäischer Vorgaben in Kauf
- DUH fordert detailliertes und wirksames Maßnahmenprogramm und sektorenübergreifende Anstrengungen zum Schutz der Gewässer
Anlässlich der finalen Phase zur Umsetzung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) kritisiert die Deutsche Umwelthilfe (DUH) den desolaten Zustand deutscher Gewässer. Auch 20 Jahre nach Inkrafttreten der WRRL wird der darin angestrebte "gute Zustand" von Oberflächengewässern und Grundwasser teilweise flächendeckend verfehlt. Das ist vor allem auf Belastungen mit Quecksilber, Pflanzenschutzmitteln und über die Landwirtschaft eingetragene Nährstoffe wie Stickstoff und Phosphor sowie eine mangelhafte Durchgängigkeit und Gewässerstruktur zurückzuführen. Trotzdem ergreifen die zuständigen Bundesländer keine ausreichenden Maßnahmen zum Schutz der Gewässer. Damit steuert Deutschland auf einen Verstoß gegen EU-Recht zu.
Ursprünglich hatte die WRRL die Herstellung des guten ökologischen und chemischen Zustands aller Gewässer bis 2015 zum Ziel. Damit ist gemeint, dass menschlich verursachte Belastungen nur geringe Abweichungen des natürlichen Gewässerzustands verursachen. Seither wurde diese Frist zweimal verlängert, zuletzt bis 2027. Von den vorgesehenen drei Bewirtschaftungszyklen, in denen unterschiedliche Maßnahmen durchgeführt werden, sind zwei bereits vorüber. Der finale Bewirtschaftungszyklus startet 2022, die Pläne dazu werden aktuell erarbeitet und liegen im Entwurf vor. Sie sind aus Sicht des Umwelt- und Gewässerschutzes ungenügend und widersprechen dem Verschlechterungsverbot, wonach Gewässer so zu bewirtschaften sind, dass eine Verschlechterung ihres ökologischen und chemischen Zustands vermieden wird.
Die DUH fordert eine klare Absage an weitere Fristverlängerungen. Die Ziele der WRRL müssen künftig deutlich stärker in verschiedene Politikbereiche integriert werden wie Landwirtschaft, Forst-, Raum-, Bauleitplanung und Verkehr. Darüber hinaus müssen ausreichend finanzielle und personelle Ressourcen bereitgestellt werden. Zudem kritisiert die DUH, dass die Öffentlichkeitsbeteiligung, die ein wesentlicher Aspekt bei der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie ist, viel zu wenig gefördert wurde und vorrangig auf die Fachöffentlichkeit ausgelegt ist.
Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH, sagt: "Die Verzögerungstaktik der Landesregierungen beim Schutz unserer Gewässer ist nicht hinnehmbar. Es kann nicht sein, dass unser Grundwasser ganze 20 Jahre nach Inkrafttreten der Wasserrahmenrichtlinie immer noch unter überhöhten Stickstoff-Einträgen aus der Landwirtschaft leidet. Das führt dazu, dass unser Grundwasser teuer und aufwendig aufbereitet werden muss, damit es uns als wichtigste Trinkwasserressource zur Verfügung steht."
Auch mit Blick auf Verunreinigungen der Gewässer mit sogenannten Pflanzenschutzmitteln sieht die DUH dringenden Handlungsbedarf. Die Zielerreichung wird für die Mehrzahl der betroffenen Grundwasserkörper erst für "nach 2045" prognostiziert. Der Umwelt- und Verbraucherschutzverband fordert deswegen unter anderem strengere, auf den Grund- und Trinkwasserschutz ausgerichtete Zulassungsverfahren, die Einführung einer Pestizidabgabe und die Einhaltung von im Green Deal formulierten Zielen wie der Pestizidreduktion um 50 Prozent bis 2030.
Neben umwelt- und gesundheitsschädlichen Einträgen aus der Landwirtschaft sind die Gewässer in Deutschland flächendeckend mit giftigem Quecksilber belastet. Der Stoff reichert sich in Fischen an und kann bei übermäßigem Verzehr zu Hirnschäden führen. Besonders Kleinkinder, Säuglinge sowie die ungeborenen Kinder von Schwangeren können dadurch massiv in ihrer Entwicklung geschädigt werden.
Dazu Dr. Cornelia Nicklas, DUH-Leiterin für Recht: "Kohlekraftwerke stehen seit langem als Mitverursacher des über die Luft eingetragenen Quecksilbers in Gewässer fest. Dennoch gewähren einige Länder weitere Fristverlängerungen, legen unspezifische Maßnahmen fest und verweisen auf den Kohleausstieg, der erst elf Jahre nach dem Geltungszeitraum der aktuellen Bewirtschaftungspläne und Maßnahmenprogramme abgeschlossen sein soll. Und das, obwohl Techniken zur Emissionsminderung längst zur Verfügung stehen! Dieses Verhalten ist ambitionslos und unverantwortlich."
Die Erreichung des guten ökologischen Zustands hängt stark von der Gewässerstruktur ab - diese kann sich nur bei ausreichend Raum für die Flüsse im erforderlichen Maß verbessern. Die DUH fordert deswegen die Bestimmung von Entwicklungskorridoren durch die Länder, in denen gezielt der Gewässerschutz vorangebracht wird. Dies muss gesetzlich verankert werden.
Hintergrund:
Die DUH klagt auf Grundlage der WRRL in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen wegen Nicht-Einhaltung des Nitrat-Grenzwerts. Beide beklagte Länder haben zu hohe, nicht flächenangepasste Tierbestände und entsprechend hohe Nährstoffüberschüsse. Die zuständigen Landesbehörden werden damit aufgefordert, ein effektives Maßnahmenprogramm zum Schutz des Grundwassers vorzulegen.
Pressekontakt:
Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer DUH
0160 90354509, mueller-kraenner@duh.de
Cornelia Nicklas, Leiterin Recht DUH
0162 6344657, nicklas@duh.de
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