EU-Kommission bekräftigt "Verschmutzungsprivileg" für Diesel-Pkw
Berlin (ots)
22. Dezember 2005: Die Deutsche Umwelthilfe e. V. hat das Europäische Parlament und den EU-Ministerrat eindringlich aufgefordert, die von der EU-Kommission am gestrigen Mittwoch vorgeschlagene Abgasnorm Euro-5 zurückzuweisen und im weiteren Verfahren Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten. Andernfalls werde es 2010, wenn EU-weit erneut verschärfte Luftreinhaltewerte in Kraft treten, ein noch größeres Desaster in deutschen Städten geben als bei der Feinstaub-Misere in diesem Jahr. Zwar erzwinge der Kommissionsvorschlag mit einem Russpartikelgrenzwert von 5 Milligramm pro Kilometer (mg/km) endlich die flächendeckende Einführung des Dieselfilters. Gleichzeitig leiste sich die Kommission mit der nur minimalen Reduzierung des Stickoxid-Grenzwerts (NOx) von 250 mg/km auf 200 mg/km einen "unverantwortlichen Kniefall vor den europäischen Autoherstellern", so DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. "Dieser Stickoxid-Grenzwert der Kommission folgt eins zu eins den Vorstellungen der Autohersteller und schreibt das Verschmutzungsprivileg für Diesel-Pkw in Europa auf unbestimmte Zeit fest, während auf andere Märkte in Asien und Nordamerika saubere Diesel-Pkw ausgeliefert werden. Das geht nicht nur zu Lasten von Umwelt und Gesundheit, sondern schadet langfristig sogar den Exportaussichten der Hersteller. Eindrucksvoller kann die EU nicht zum Ausdruck bringen, wer für sie diese "Verschmutzungsrichtlinie" verfasst hat: Der europäische Automobilverband unter Leitung des derzeitigen ACEA-Präsidenten und Volkswagen Chefs Bernd Pischetsrieder", so Resch. Ziel der Grenzwertsetzung müsse sein, mittelfristig einheitliche Schadstoff-Grenzwerte für alle Otto-, Diesel- und Gasmotoren zu erreichen. "Es kann nicht sein, dass Dieselfahrzeuge dauerhaft Menschen und Umwelt zehnmal mehr mit dem Reizgas Stickoxid belasten als Benziner. Da stimme ich Umweltminister Sigmar Gabriel ausdrücklich zu. Wir werden ihn aktiv unterstützen, den auch von seinem Umweltbundesamt für notwendig erachteten Grenzwert von 80 mg NOx/km und 2,5 mg PM/km in Brüssel durchzusetzen", sagte Resch. Die Kommission begründet die "nur geringe Reduktion" des Stickoxid-Ausstoßes ausdrücklich mit dem Argument, damit bleibe der Automobilindustrie ein eigenes NOx-Abgasreinigungssystem erspart. Diese Technik sei noch nicht ausgereift. Das ist umso erstaunlicher, als in den USA ab 2007 Stickoxid-Standards mit einem Wert von bis zu 44 mg/km in Kraft treten und mehrere europäische Autohersteller (z.B. DaimlerChrysler und Volkswagen) bereits angekündigt haben, diese um den Faktor fünf niedrigeren Grenzwerte bei Exportfahrzeugen problemlos einhalten zu können.
"Damit entsteht die absurde Situation, dass die saubersten europäischen Diesel-Pkw für den Übersee-Export reserviert bleiben, während die Städte und Kommunen in Europa einen zunehmend aussichtslosen Kampf für die Einhaltung der EU-Grenzwerte in den Ballungszentren führen müssen", so der DUH-Europabeauftragte Stefan Bundscherer. "Es kann doch nicht sein, dass sich die Geschichte der Einführung des Drei-Wege-Katalysators und des Rußfilters noch einmal wiederholt." Stickoxide sind eine Vorläufersubstanz von Ozon, das vor allem Atemwege und Schleimhäute belastet und zu Gesundheitsschäden insbesondere bei Kindern, älteren und gesundheitlich labilen Menschen führt. Stickoxide gehören neben Schwefeldioxid auch zu den Auslösern des sauren Regens, der maßgeblich zum Waldsterben beiträgt. Bundscherer sieht in dem Vorschlag der EU-Kommission "eine abrupte Abkehr von der jahrzehntelangen Praxis einer vorausschauenden Abgasreinigungspolitik in Europa. Bisher haben sich alle Euro-Normen am jeweiligen Stand der Technik orientiert. Seit gestern orientieren sie sich am Stand der Gewinninteressen der Autoindustrie". Die DUH ist zuversichtlich, dass dieser Kommissionsvorschlag so keinen Bestand haben wird. In den nun folgenden Konsultationen mit dem europäischen Parlament rechnet Bundscherer mit einer klaren Zurückweisung und Verschärfung. Ab 2010 gelten EU-weit verschärfte NOx-Immissionsgrenzwerte, die nur einzuhalten sind, wenn schmutzige Diesel-Fahzeuge aus den Städten verschwinden. "In den Ballungszentren würden ohne erheblich niedrigere NOx-Grenzwerte für Dieselfahrzeuge Überschreitungen die Belastungsgrenzen genauso zum Alltag gehören wie heute beim Feinstaub". Damit seien weitere flächendeckende Fahrverbote für Dieselstinker bereits programmiert. Bundscherer: "Eine vorausschauende Umweltpolitik sieht anders aus."
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Stefan Bundscherer, Deutsche Umwelthilfe e.V., Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030/ 25 89 86-23, mobil 0177/33 23 300, E-Mail: bundscherer@duh.de
Gerd Rosenkranz, Deutsche Umwelthilfe e.V., Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030/ 25 89 86-15, mobil 0171/ 56 60 577, E-Mail: rosenkranz@duh.de
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