Umwelthilfe warnt EU-Parlament, "statt Feinstaub dessen Grenzwerte zu bekämpfen"
Berlin (ots)
In einem Schreiben an die deutschen Abgeordneten des EU-Parlaments fordert die Deutsche Umwelthilfe eine Verschärfung der Grenzwerte statt neue Ausnahmetatbestände - Aktuelle Langzeitstudie bestätigt verheerende Wirkung der Feinstaubbelastung am Beispiel von Frauen in Nordrhein-Westfalen - Fachwissenschaftler appellieren in München und Paris an EU-Verantwortliche, Grenzwerte nicht abzuschwächen
Berlin, 25. September 2006: In gleichlautenden Schreiben an deutsche Abgeordneten des Europäischen Parlaments hat die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) die Parlamentarier dringend aufgefordert, am morgigen Dienstag gegen die vom Umweltausschuss vorgeschlagene Aufweichung der EU-Feinstaubrichtlinie zu stimmen. Der vom deutschen Berichterstatter Holger Krahmer (FDP) zu verantwortende Vorschlag bedeutet faktisch eine erhebliche Verwässerung der derzeit geltenden Richtlinie und die würde ausgerechnet diejenigen belohnen, die sich bisher nicht ausreichend um die Reduzierung des Feinstaubs bemühen.
"Es ist angesichts jährlich über 70.000 vorzeitiger Todesfälle durch Feinstaub allein in Deutschland geradezu öbzon, wenn EU-Parlamentarier nun statt des Feinstaubs die Feinstaub-Grenzwerte bekämpfen", sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Er erinnerte daran, dass erst die seit Anfang 2005 EU-weit verbindlichen Feinstaubgrenzwerte und die Probleme bei ihrer Einhaltung in vielen Ballungszentren Kommunen, Länder und den Bund "aus ihrer Lethargie beim Schutz der Bürgerinnen und Bürger gegen dieses mit Abstand schwerwiegenste Luftreinhalteproblem in Deutschland und Europa geweckt" habe.
Der Umweltausschuss des Europaparlaments hatte im Juni einen von Umweltschützern als halbherzig kritisierten Vorschlag von EU-Umweltkommissar Stavros Dimas zur Weiterentwicklung der Feinstaubrichtlinie weiter entschärft. Danach sollen die Tagesgrenzwerte für Partikel mit 10 Mikrometer Durchmesser (PM 10) in Zukunft 55 statt bisher 35 Mal pro Jahr überschritten werden dürfen. Ein neuer Grenzwert für die besonders gefährlichen Teilchen unterhalb 2,5 Mikrometer (PM 2,5) soll statt ab 2010 erst 2015 verbindlich werden. Außerdem soll es für die Kommunen großzügige Ausnahmeregelungen bei der Einhaltung der Grenzwerte geben.
Die geplante Aufweichung gültiger Grenzwerte sei angesichts der in Europa von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ermittelten 370.000 vorzeitigen Todesfälle pro Jahr an sich schon ein Skandal. "Dass diese Initiative in eine Zeit fällt, in der sich die verheerende Bilanz der Feinstaubbelastung auch in deutschen Langzeitstudien bes-tätigt, macht sprachlos", so Resch. Der DUH-Geschäftsführer verwies auf aktuelle Fachpublikationen (Septemberausgabe der Zeitschrift "Epidemiology") wonach sich bei Frauen mittleren Alters in Nordrhein-Westfalen, die an verkehrsreichen Straßen wohnen, die Wahrscheinlichkeit, an Herz-Kreislauferkrankungen oder Erkrankungen der Atemwege zu sterben, um 70 Prozent erhöht. Resch: "Das Ergebnis ist nicht überraschend, es bestätigt seit Jahren bekannte Untersuchungen aus den USA, die nirgends und von niemandem angezweifelt werden. Kein Abgeordneter des Europäischen Parlaments, der dieses Problem auf die lange Bank schieben will, kann hinterher sagen, er habe das nicht gewusst."
Kürzlich hatten sich bereits Epidemiologen und Fachmediziner in München und Paris in einem dringenden Appell an die Verantwortlichen in den Gremien der EU gewandt. In der "Declaration on need for stricter European Regulation of Air Pollution" vom 4. September fordern die Wissenschaftler EU-Kommission und EU-Parlament auf, sich angesichts der gesicherten Erkenntnisse über die verheerenden Folgen der Feinstaubbelastung in Europa gegen eine Aufweichung der EU-Feinstaubgrenzwerte zu entscheiden. Ein solches Vorgehen werde alle Bemühungen der vergangenen Jahre unterminieren, in Europa zu einem besseren Schutz der Bevölkerung vor Luftverunreinigungen zu kommen und auch ein negatives Signal in andere Länder der Welt mit ähnlichen Luftreinhalteproblemen aussenden.
Für Rückfragen: Jürgen Resch, Deutsche Umwelthilfe e. V. - Bundesgeschäftsführer, Hackescher Markt 4, 10178 Berlin; Tel.: Mobil.: 0171 3649170, Fax.: 030 258986-19, E-Mail: resch@duh.de
Dr. Gerd Rosenkranz, Deutsche Umwelthilfe e. V. - Leiter Politik, Hackescher Markt 4, 10178 Berlin; Tel.: 030 258986-0, Fax.: 030 258986-19, Mobil: 0171 5660577, E-Mail: rosenkranz@duh.de
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