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Der Tagesspiegel: Ex-Verfassungsrichter Böckenförde ist gegen Wertebekenntnisse: "Kopftuch-Gesetze nicht vereinbar mit der Religionsfreiheit"

Berlin (ots)

Berlin. Der frühere Verfassungsrichter
Ernst-Wolfgang Böckenförde hat sich dagegen ausgesprochen, Bürgern, 
auch Einwanderern, Wertebekenntnisse als Voraussetzung für ihre 
Integration abzufordern: Es komme in einem liberalen Rechtsstaat 
nicht auf die Gesinnung an, "sondern auf die Rechtstreue in dem 
Sinne, dass die geltenden Gesetze befolgt werden", sagte Böckenförde 
dem in Berlin erscheinenden "Tagesspiegel" (Montagausgabe). Kritisch 
äußerte sich Böckenförde in diesem Zusammenhang zur Formulierung im 
neuen "Nationalen Integrationsplan", in dem es heißt, dass die 
Zuwandernden vorbehaltlos das Grundgesetz und die gesamte deutsche 
Rechtsordnung akzeptieren müssten. Dies sei in Ordnung, wenn gemeint 
sei, dass die geltenden Gesetze ohne Vorbehalt zu befolgen seien. 
Sollte es bedeuten, "sich auch innerlich, gesinnungsmäßig zu ihnen zu
bekennen, dann nicht", sagte Böckenförde. Auf Gesinnungen 
abzustellen, ist nach Ansicht Böckenfördes für die Freiheit in einem 
Staate gefährlich. Da die Ehrlichkeit eines Bekenntnisses nie 
nachprüfbar sei, führe dies "leicht zu Herrschaft von Vertrauen und 
Verdacht". "Wir kennen das aus der Praxis des sogenannten 
Radikalenerlasses. Der freiheitliche Staat ist aber keine 
Gesinnungsgemeinschaft, sondern eine Rechtsgemeinschaft." 
Böckenförde, der selbst praktizierender Katholik ist, erinnerte an 
das Verhältnis der katholischen Kirche zum Staat, die gegen den 
modernen Staat lange einen mentalen Vorbehalt gehabt habe. Erst im  
Zweiten Vatikanischen Konzil vor vierzig Jahren habe sie sich zur 
Religionsfreiheit bekannt. Deutliche Kritik äußerte Böckenförde an 
den Kopftuch-Gesetzen einiger Länder: "Lehrerinnen prinzipiell 
Kopftücher zu untersagen, halte ich nicht für vereinbar mit der 
Religionsfreiheit. Insbesondere dann, wenn zugleich Symbolzeichen des
christlichen und jüdischen Bekenntnisses für zulässig erklärt werden.
Abgesehen davon wäre es jedenfalls ein Zeichen politischer Klugheit, 
eine entsprechende Gesetzgebung zu unterlassen."
Inhaltliche Rückfragen richten Sie bitte an:
Der Tagesspiegel, Ressort Politik, Telefon 030/26009-389

Pressekontakt:

Der Tagesspiegel
Chef vom Dienst
Thomas Wurster
Telefon: 030-260 09-308
Fax: 030-260 09-622
cvd@tagesspiegel.de


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