Der Tagesspiegel: Merz nennt Pläne zur Steuerreform: Aktien und Immobilien besteuern Warnung an Merkel: Verfahren wie beim Gesundheitskompromiss nicht noch einmal zumutbar
Berlin (ots)
Berlin. Die CDU will die Steuerausnahmen für Bessergestellte reduzieren und künftig Gewinne aus Aktien und Grundstücksbesitz besteuern. Dies sei nötig, damit die Steuern deutlich reduziert werden könnten, die auf den Arbeitnehmern lasteten, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Friedrich Merz, im Gespräch mit dem Tagesspiegel am Sonntag. Die Steuerlast habe sich über die Jahrzehnte hin immer mehr hin zu den Arbeitnehmereinkünften verschoben. Dabei zögen immer mehr Menschen Geld aus ihren Vermögen. "Besteuerungsgrundlage im Einkommensteuerrecht muss jedes Markteinkommen sein, gleich aus welcher Quelle." Für Merz, der im Fraktionsvorstand als eine Art Super-Gegenminister für Wirtschaft und Soziales zuständig ist und im Auftrag der CDU derzeit an einer grundlegenden Reform des deutschen Steuersystems arbeitet, hat dabei eine radikale Vereinfachung der Steuerregeln Priorität. Für 90 Prozent der Steuerfälle könne dann das Papier völlig abgeschafft werden, es werde "nicht einmal" mehr ein Din-A-4- Blatt nötig sein. Die Vereinfachung des Steuersystems sei mit der Frage der Steuergerechtigkeit eng verknüpft: "Gerecht wird unser Steuersystem nur dadurch, dass es einfach wird. Komplizierte Regelungen nützen in der Regel denen, die sich teure Beratung leisten können. Es ist dann letztlich eine soziale Frage, dafür zu sorgen, dass die, die sich das nicht leisten können oder wollen, vom Finanzamt gleich behandelt werden."
Merz sprach sich für ein Familienrealsplitting aus, wie es auch der frühere Verfassungsrichter Paul Kirchhof vorschlägt. Es gäbe dann einen Grundfreibetrag für jedes Familienmitglied von 8000 Euro im Jahr. Merz plädierte im Interview für den einheitlichen Tarif - Kirchhof schlägt einen allgemeinen Steuersatz von 25 Prozent vor - hält es aber für möglich, dass dies politisch nicht durchsetzbar sei. Die Frage der Sätze sei ihm aber nicht so wichtig.
Merz zeigte sich auch zuversichtlich, dass sich die Union über eine derart radikale Reform mit der rot-grünen Bundesregierung einigen könne. "Wenn wir uns alle gehörig anstrengen und auf parteipolitisches Hin und Her verzichten", könne sie schon im Jahre 2005 in Kraft treten.
Merz rechtfertigte im Interview auch sein Verhalten zu Beginn dieser Woche, als er ankündigte, gegen den Gesundheitskompromiss mit der Regierung zu stimmen und notfalls auf sein Amt als Vize- Fraktionschef zu verzichten. Mit Rücksicht auf die bayerische Landtagswahl habe er vor der Wahl seine Kritik intern vorgebracht, dies aber "wohl zu vorsichtig, um die Ernsthaftigkeit meines Anliegens zu unterstreichen und klar zu machen, das wir da auf dem falschen Weg sind." Merz merkte selbstkritisch an, das habe er dann nach der Wahl "vielleicht mit einem etwas zu kräftigen Strich ausgeglichen. Ich kann verstehen, dass viele Kollegen darüber etwas überrascht waren."
Merz übte auch grundsätzliche Kritik an der Politik des Kompromisses: Man habe "im wechselseitigen Rollenspiel, mal als Opposition, mal als Regierung, 30 Jahre lang Kompromisse in Deuschland gemacht. Und das Ergebnis ist die schwerste strukturelle Wirtschafts- und Beschäftigungskrise, die dieses Land je erlebt hat." Die Politiker "flickschustern immer auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Unsere Kinder werden uns dafür hart kritisieren, dass wir alles gewusst und nichts wirklich richtig und von Dauer entschieden haben."
Merz sprach in diesem Zusammenhang auch eine indirekte Warnung an die Führung der Union aus: "Vom Verfahren wie vom Inhalt her kann man das der Fraktion und auch mir nicht ein weiteres Mal zumuten."
ots-Originaltext: Der Tagesspiegel
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