Gesellschaft für bedrohte Völker e.V. (GfbV)
Tansania: Kohlenstoffprojekte untergraben Landrechte der Maasai: Hilfsorganisationen fordern Stopp der Vorhaben - auch von beteiligtem Autobauer Volkswagen
(Aachen, Göttingen, Köln, 11. März 2025) Eine heute veröffentlichte Studie der Maasai International Solidarity Alliance (MISA) – zu deren Mitgliedern das Hilfswerk Misereor, die Menschenrechtsorganisation FIAN und die Gesellschaft für bedrohte Völker gehören – zeigt die problematischen Auswirkungen internationaler Projekte, die durch Kohlenstoffkompensation eigentlich dem Klimaschutz dienen sollten. Die Land- und Menschenrechte der Maasai, einer indigenen ostafrikanischen Volksgruppe, stehen massiv unter Druck.
Die Studie dokumentiert die Auswirkungen zweier großflächiger Kohlenstoffprojekte auf die nomadisch-lebende Volksgruppe der Maasai im Norden Tansanias. Dabei wurden zahlreiche schwerwiegende Missstände festgestellt: zweifelhafte Vorabzahlungen an Dörfer, intransparente und teils rechtswidrige Vertragsabschlüsse und die Missachtung völkerrechtlicher Normen - insbesondere hinsichtlich der Beteiligung der lokalen Bevölkerung. Diese ist stark eingeschränkt, vielen Gemeindemitgliedern fehlt grundlegendes Wissen über Kohlenstoffmärkte, Vertragsbedingungen und deren Folgen. Dadurch verlieren die Gemeinden zunehmend die Kontrolle über ihr traditionelles Weideland und können überlebenswichtige jahrhundertealte Praktiken nicht mehr ausüben.
Klimaschutzprojekte im Konflikt mit lokaler Tradition
Traditionell orientieren sich die Weiderouten der Maasai an der Wasserverfügbarkeit, den wechselnden Trockenzeiten und den Wanderungen ihrer Weidetiere. Die Weidemuster und die Mobilität der Maasai bilden nicht nur eine zentrale Säule ihrer traditionellen Kultur, sondern leisten auch einen nachhaltigen, positiven Beitrag zur Erhaltung und Widerstandfähigkeit der trockenen Weidegebiete. Durch die beiden neuen Kohlenstoffprojekte müssen sich die Maasai nun der Kohlenstoffspeicherung unterordnen – teils für eine Dauer von bis zu 40 Jahren. „Die neuen Vorgaben der Kohlenstoffprojekte machen traditionelle Weidepraktiken unmöglich. Wir fordern deshalb einen sofortigen Stopp der Vorhaben“, mahnt Roman Herre, Agrarreferent der Menschenrechtsorganisation FIAN.
Landnahme bedroht umweltfreundliche Maasai-Praktik
Die zwei untersuchten Projekte konkurrieren in Tansania um Weideland für ihre Kohlenstoffprogramme. Hier soll durch Änderungen der Weideflächennutzung, zusätzlicher Kohlenstoff im Boden gespeichert werden und dadurch Kohlenstoff-Emissionen kompensiert werden. Eines der Projekte wird von Volkswagen finanziert und erstreckt sich über knapp eine Million Hektar – eine Fläche etwa halb so groß wie Hessen. „Die Maasai leben dort im Einklang mit der Natur: mit ihrem tief verwurzelten Wissen bewahren sie die Landschaft und schützen die einzigartige Artenvielfalt für kommende Generationen“ betont Sarah Reinke, Leiterin der Menschenrechtsarbeit der GfbV.
Nachhaltigkeit ohne Verantwortung: Volkswagen in der Kritik
Bisherige Gespräche zwischen Volkswagen und den Anwälten der Maasai über die Berücksichtigung ihrer Rechte und Interessen blieben weitestgehend ergebnislos. Trotz der Darstellung erheblicher Bedenken gab es seitens Volkswagen keine substanziellen Antworten. „Es ist unerlässlich, dass Unternehmen nicht nur Nachhaltigkeitsversprechen abgeben, sondern auch aktiv an der Lösung dieser Probleme mitwirken. Wir fordern von deutschen Konzernen wie Volkswagen, nicht im Namen der Nachhaltigkeit Land- und Menschenrechte zu gefährden. Das beinhaltet, bei ihren Projektplanungen die ansässige Bevölkerung von Beginn an transparent einzubeziehen und sich ihrer unternehmerischen Verantwortung nicht zu entziehen“, fordert Selina Wiredu, afrikapolitische Referentin bei Misereor.
Weitere Informationen:
Ein Online-Pressegespräch mit Mitgliedern von MISA aus Tansania sowie Europa findet am Donnerstag, den 13. März, um 15 Uhr statt. Anmeldungen bitte unter: maasaiinternationalsolidaritya@gmail.com
Hier zur Studie „Soil Carbon Credits: Another Wave of Land Alienation in Northern Tanzania?“
Hier zur deutschen Kurzfassung der Studie.
Pressekontakte:
Charleen Kovac, Misereor
Telefon: 0241 442 116
E-Mail-Adresse: charleen.kovac@misereor.de
Roman Herre, FIAN Deutschland
Telefon: 01520 7067 302
E-Mail-Adresse: r.herre@fian.de
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