Börsen-Zeitung: Explosives Gemisch, Kommentar von Dieter Kuckelkorn zu den Auswirkungen des hohen Ölpreises auf die internationale Finanzmärkte
Frankfurt (ots)
Wieder einmal ist der Ölpreis das alles beherrschende Thema auf den internationalen Finanzmärkten. Ursache für die Verwerfungen am Ölmarkt ist der Wirbelsturm Katrina, der nicht nur die US- Südstaatenmetropole New Orleans, sondern auch die zahlreichen Raffinerien und Ölhäfen in Louisiana und den angrenzenden Bundesstaaten heimsucht. Nach Einschätzung von Goldman Sachs läuft die gegenwärtige Situation auf die größte Produktionsunterbrechung in US-Raffinerien hinaus, die es jemals gegeben hat. In der Region sind nicht weniger als 45% der US-Kapazitäten zur Produktion von Benzin konzentriert.
Die Dramatik der Situation lässt sich unter anderem daran ablesen, dass die Warenterminbörse Nymex bei Erdgas Force Majeure ausgerufen hat, also die Unterbrechung aller Lieferverpflichtungen auf Basis von Terminkontrakten. Zuvor hatte der Erdgaspreis an der Nymex gegenüber Vortag um fast 18% angezogen.
Das Ereignis trifft einen Ölmarkt, der nach Bewertung der Internationalen Energieagentur IEA nicht in der Lage ist, externe Schocks in einem hinreichenden Maß abzufedern. Einer stagnierenden und zumindest außerhalb des Opec-Kartells tendenziell fallenden Produktion steht eine äußerst robuste Nachfrage in den USA, China und Indien sowie ein neu auflebendes Interesse spekulativer Adressen am Ölterminmarkt gegenüber.
Hinzu kommen die zahlreichen geopolitischen Risiken vom internationalen Terrorismus über den Atomstreit zwischen den USA und dem Iran, die den Amerikanern langsam entgleitende Kontrolle im Förderland Irak bis hin zu den politischen Spannungen in Saudi- Arabien und Venezuela. Die Konstellation stellt ein explosives Gemisch dar. Denn sollte es beispielsweise in einem der genannten Länder zu einem Produktionsstopp kommen, wäre dies der Super-GAU für den Ölmarkt.
Aber auch ohne ein derartiges Ereignis ist die Lage wenig erfreulich. Die Inbetriebnahme der vom Sturm betroffenen Raffinerien und Ölplattformen wird sich teilweise über mehrere Monate hinziehen. Damit wird der Aufbau von Reserven vor der Nachfragespitze im Winter behindert. Die Auswirkungen Katrinas werden daher global spürbar sein: Im Gefolge des Wirbelsturms kündigt sich nach Einschätzung von Experten für den Winter ein Ölpreis von 80 Dollar je Barrel und darüber an.
(Börsen-Zeitung, 30.8.2005)
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