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Börsen-Zeitung: Es fehlt die Vision, Kommentar von Dieter Kuckelkorn zur Bilanzpressekonferenz der Deutschen Börse

Frankfurt (ots)

Auf den ersten Blick ist Reto Francioni um
seinen Job zu beneiden. Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Börse 
steht einem Unternehmen vor, das Jahr für Jahr neue Rekordergebnisse 
präsentiert und dessen Aktienkurs nur einen Weg kennt-nämlich nach 
oben. Dies liegt unter anderem daran, dass sich die Aktie einer hohen
Beliebtheit bei ausländischen Investoren erfreut. Grund also, sich 
zurückzulehnen, und viel Zeit beim Angeln in der heimatlichen Schweiz
zu verbringen?
Die Realität sieht ein wenig anders aus. Die Deutsche Börse ist in
einer Branche mit enormem Veränderungstempo tätig, bei der sie 
inzwischen eher als Getriebene denn als Gestalterin erscheint. Dies 
ist tragisch, war es doch in den vergangenen Jahren regelmäßig der 
Frankfurter Konzern, der neue Anstöße gab und andere Börsenbetreiber 
auf Trab brachte.
Seit angelsächsische Investoren die Deutsche Börse das Fürchten 
gelehrt haben, scheint sich der Vorstand vor allem darauf zu 
fokussieren, seine Aktionäre mit Aktienrückkäufen, hohen Dividenden 
und "Gratisaktien" bei Laune zu halten. Denn die Hedgefonds sind 
nicht zimperlich. Sie würden das Unternehmen ohne Skrupel 
zerschlagen, wenn es zusätzlichen Profit bringt. Die Deutsche Börse 
sieht sich von vielen Seiten unter Beschuss, die Ansprüche an das 
Unternehmen und sein Management sind extrem hoch.
Diese schwierige Lage erfordert einen Vorstandschef an der Spitze 
der Börse, der Visionen für die Zukunft präsentiert und umsetzt. Der 
mit den Pfunden des Unternehmens wuchern kann. Denn immerhin ist die 
Börse der profitabelste und einer der schwergewichtigsten 
Börsenbetreiber der Welt.
Derzeit ist von Visionen allerdings nicht viel zu erkennen. Seit 
dem Scheitern der Bemühungen um den Konkurrenten Euronext heißt es am
Konzernsitz stets, die Börse stehe bestens da und verfüge über 
ausgesprochen gute Möglichkeiten für organisches Wachstum. Dies ist 
zwar unbestritten. Aber reicht das, um auch noch in fünf Jahren der 
ertragstärkste Börsenbetreiber zu sein?
Die Börse lässt zwar viele Aktivitäten kleinerer Reichweite 
erkennen - beispielsweise der Einstieg bei der Börse Bombay, 
Kreditderivate bei der Eurex und eine Börse für strukturierte 
Produkte. Es fehlt jedoch der große Wurf oder zumindest das 
weitreichende Konzept.
(Börsen-Zeitung, 23.2.2007)

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