Weser-Kurier: Kommentar von Daniel Killy zu den Straßenschlachten in Hamburg
Bremen (ots)
Als Mitte der 90er-Jahre die kurdischen Parteien in der Türkei verboten wurden, brach ein Sturm der Entrüstung in Deutschlands Städten und auf unseren Straßen los. Kurden demonstrierten gegen die ethnische Verfolgung in der Türkei und deutsche Waffenlieferungen an Ankara. Mit Krawallen, Autobahnblockaden und Selbstverbrennungen verspielten sie damals jede Menge berechtigter Sympathien für ihre Sache. Rund 20 Jahre später stellt sich die Situation wieder ähnlich dar: "Krawalle" und "Prügeleien" mit IS-Anhängern gehen zulasten des kurdischen Images. Doch eines ist 2014 fundamental anders. Zwar mag es noch vereinzelt Provokateure und Krawallbrüder unter den kurdischen Demonstranten geben - die Verzweiflung über die perfide Rolle des NATO-Staates und IS-Förderers Türkei ist aber so groß, dass die hiesigen Gesetze nichts mehr zu zählen scheinen. Dass die Türkei kühl kalkulierend von den IS-Terrormilizen Völkermord-Assistenz in Sachen Kurden annimmt, ist ein Schurkenstück von historischer Dimension. Hinzu kommt, dass Salafistenhorden in Hamburg, Celle und wohl bald auch anderswo marodierend durch die Straßen ziehen; auf der Suche nach Jesiden, Kurden oder wem auch immer, der ihrem Wahn im Wege steht. Derlei Gewaltexzesse kennen auch Randale-erprobte Großstadtpolizisten noch nicht bei uns. Der Glaubenskrieg scheint angekommen in Deutschlands Städten - und nur mit Polizeigewalt und anderen ordnungspolitischen Maßnahmen wird man seiner gewiss nicht Herr. Auch, wenn es hoffentlich ganz schnell gelingt, die Gewalt auf den Straßen zu unterbinden, bleibt doch das groteske moralische Scheitern des Westens und seiner vorgeblichen Werte zurück. So mag der Staat vielleicht das Gewaltmonopol zurückerobern - zu wünschen wäre das allen Bürgern; das Moral-Monopol hat die Regierung verspielt. Obama, die Türken und letztlich auch die Deutschen schauen mehr oder minder zynisch zu, wie der IS-Terror näher rückt. Die Kurden werden wieder einmal verraten und verkauft. Es steht zu befürchten, dass ihnen angesichts dieser tödlichen Falle das Image in Deutschland zunehmend egal wird. Der Krieg ist da.
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