KBV - Kassenärztliche Bundesvereinigung
KBV zu BMGS-Kritik am Verordnungsverhalten
Berlin (ots)
"Anstatt uns zu schelten, sollte das Bundesgesundheitsministerium sich nicht weiter um die Lösung eines wichtigen Problems herumdrücken: Wir haben in Deutschland bei Medikamenten einen Mehrbedarf von über fünf Milliarden Euro. Selbst wenn man das theoretische Einsparpotential von vier Milliarden Euro berücksichtigt, das uns Professor Ulrich Schwabe und Dieter Paffrath immer wieder für so genannte umstrittene Präparate vorrechnen, bleibt immer noch ein Nachholbedarf von über einer Milliarde Euro. Die Bundesgesundheitsministerin und ihre politischen Verbündeten müssen nun entscheiden, ob wir den decken oder ob wir Patienten Arzneimittel vorenthalten, die sie benötigen. Sparen und optimal medikamentös behandeln und das ohne mehr Finanzen, das geht nicht und wir Kassenärzte sind nicht länger gewillt, den Sündenbock zu spielen." Mit diesen Worten hat heute in Berlin der Erste Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. Manfred Richter-Reichhelm, auf Kritik des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) reagiert. Dieses hatte bei der Präsentation der Finanzergebnisse der gesetzlichen Krankenkassen den Kassenärzten vorgehalten, weit mehr Medikamente verschrieben zu haben, als sie durften.
Richter-Reichhelm weiter: "Die Aussage von Klaus Theo Schröder, wir seien für zwei Drittel des Krankenkassendefizits von knapp drei Milliarden Euro verantwortlich, ist eine Milchmädchenrechnung: Wir haben durch die Verordnung von Arzneimitteln nur 960 Millionen Euro zu dem Defizit beigetragen, der Krankenhausektor jedoch 1,16 Milliarden Euro. Darüber hinaus ist es eine Mär, dass wir verantwortungslos verschreiben. Nennenswerte Zuwächse gab es nur bei innovativen Präparaten. Die kosten nun einmal viel Geld. Wenn Ulla Schmidt den Patienten diese Arzneimittel vorenthalten will, soll sie es deutlich sagen und verantworten." Der KBV-Chef wies auch darauf hin, dass die Krankenkassen den Kassenärzten die Einhaltung von Limits erschwert hätten: "Seit 2002 gilt das Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetz. Es sieht vor, dass die Krankenkassen uns zeitnah arztbezogene Verordnungsdaten liefern. Im März werden wir erstmals Zahlen erhalten - von Januar 2003."
Der Kassenärzte-Chef mahnte die Krankenkassen, ihren Teil der Verantwortung für das Verordnungsgeschehen zu übernehmen: "Wenn in Deutschland nur begrenzte Mittel für die Arzneimitteltherapie zur Verfügung stehen, dann sind alle Register zu ziehen. Die Krankenkassen müssen ihre Versicherten über die Verordnungen von Generika statt teurer Originalpräparate aufklären und aufhören, den Patienten die Kosten für Medikamente zu erstatten, die gar nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden dürfen."
Den Nachholbedarf in der Arzneimitteltherapie hat die KBV in einer Studie dokumentiert. Darin wird die Therapie von 14 verbreiteten Krankheiten untersucht und mit der jeweils gebotenen medikamentösen Behandlung verglichen. Derzeit reicht das Geld beispielsweise nur, um die Hälfte aller Schmerzpatienten angemessen zu versorgen. Wenn alle Betroffenen versorgt werden sollen, ist eine Finanzspritze von 760 Millionen Euro nötig. Für die bedarfsgerechte Therapie von Menschen mit chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen bräuchten die niedergelassenen Ärzte weitere 1,181 Milliarden Euro. Zu den untersuchten Krankheitsbildern gehören auch Depression, Migräne und koronare Herzkrankheiten. Richter-Reichhelm: "Sogar zur Impfung von Kindern fehlen uns 60 Millionen Euro." Die Untersuchung der KBV erscheint Ende März.
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