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taz-Kommentar von Heide Oestreich über die Sexualstrafrechtsreform: Das Ende des Masochismus

Berlin (ots)

Es ist schon grotesk, was in dieser Gesellschaft alles noch debattierbar ist. Am Donnerstag verabschiedet das Parlament voraussichtlich das neue Sexualstrafrecht, das unter dem Schlagwort "Nein heißt Nein" diskutiert wird. Allein, dass man dafür kämpfen muss, dass Nein Nein heißt, ist merkwürdig. Aber dann geht der ehemalige Bundesrichter Thomas Fischer hin und erklärt allen Ernstes, ein Nein könne ja auch nicht ernst gemeint sein und sei deshalb völlig ungeeignet, den Willen des Opfers zu erkennen.

Mit anderen Worten: Nein kann ja doch wieder auch Ja heißen - und die Frau ist wieder eine Art natürliche Masochistin, die die Überwältigung genießt. Hallo? Funktioniert Sex bei Thomas Fischer so? Bei mir nicht.

Für das eigentliche Problem aber, dass Frauen körperlicher Widerstand in der Regel geradezu abtrainiert wird und ihnen manchmal nicht mehr bleibt als ein Nein oder ein Weinen, hat er keine Lösung. Es interessiert ihn einfach nicht.

Die stellvertretende Chefin der Zeit, Sabine Rückert, hat ebenfalls Schwierigkeiten damit, zu erkennen, was gewollter und was ungewollter Sex ist: "Was leidenschaftliche Liebesnacht und was Vergewaltigung war, definiert die Frau am Tag danach", mutmaßt sie. Man möchte nicht wissen, wie ihre leidenschaftlichen Liebesnächte aussehen. Die Bereitschaft, in der Frau das lügnerische Wesen zu sehen und im Mann den arglosen Aufrechten, der darüber rätselt, was eine Frau signalisiert, die weint, ist offenbar immer noch groß.

Und das ist blanker Sexismus. Denn diese Sichtweise gibt dem Vergewaltiger einen Freibrief und stellt das Opfer unter Verdacht. Die Natur hat das Weib mit schwachem Verstand aber dafür mit Verstellungskunst ausgerüstet - das ist Schopenhauer, 1850. Anderthalb Jahrhunderte Frauenbewegung sind ja auch noch reichlich wenig, um den Anspruch zu akzeptieren, dass man Frauen tatsächlich ernst nehmen sollte.

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