Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit
Erklärung der Friedrich-Naumann-Stiftung zur Kontroverse um Antisemitismus in Deutschland
Berlin (ots)
Die Friedrich-Naumann-Stiftung verurteilt antisemitische Äußerungen und Handlungen eindeutig und scharf. Sie tritt antijüdischen Stereotypen und Vorurteilen sowie anti-israelischen Ressentiments entgegen. Die Stiftung für liberale Politik fordert eine differenzierte Debatte um die Lebensfragen Israels und der Palästinenser im Nahostkonflikt.
Die Friedrich-Naumann-Stiftung verurteilt antisemitische Äußerungen und Handlungen eindeutig und scharf. Unsere politische Bildungsarbeit in Deutschland wie auch die internationale Arbeit der Stiftung sind der Verwirklichung der Menschen- und Bürgerrechte, der Freiheit und der Humanität als elementaren und universalen Werten und Grundlagen menschlichen Zusammenlebens in einer offenen Gesellschaft gewidmet. Liberale Politik setzt sich ein für Toleranz und Weltoffenheit.
Die Friedrich-Naumann-Stiftung tritt mit ihrem liberalen Selbstverständnis einem politischen Populismus entgegen, der antijüdische Stereotypen und anti-israelische Ressentiments ermutigt und ihnen ein öffentliches Forum bereitet. Aus Deutschlands Geschichte ergibt sich unsere historische Verantwortung, allen Versuchen entgegenzuwirken, die antijüdischen Vorurteilen den Schein der Legitimität verschaffen wollen. "Rassismus und Antisemitismus sind die beiden Seiten einer Medaille" hinterließ uns zur Mahnung unser verstorbenes Kuratoriumsmitglied Ignatz Bubis. Die Grenzen zu beiden dürfen - gerade in Deutschland - nicht überschritten werden.
Kritik an Israels Politik ist unter Freunden selbstverständlich. Israel versagt den Palästinensern Freizügigkeit, staatliche Souveränität, demokratische Rechte und demütigt täglich Menschen. Hierauf bezogene Kritik an Israel ist legitim, wenn sie nicht mutwillig einseitig, wenn sie in ihren Maßstäben fest ist und zu Verhalten und Verantwortung von Israels Nachbarn nicht schweigt. Diese müssen Existenz und Legitimität des Staates Israels glaubhaft anerkennen. Grausamkeit und Wahllosigkeit einer organisierten Maschinerie von Selbstmordattentaten, deren Ziel gerade nicht der Frieden mit Israel ist, verlangen nach einer innerarabischen Debatte, welche Mittel in der politischen Auseinandersetzung gerechtfertigt sind und welche nicht. Auf einer geteilten Moral basierende Kritik allein an Israel kann keine Legitimität beanspruchen und begibt sich in die Nähe des Vorwurfs des Antizionismus.
Wir fordern und werden uns weiter dafür einsetzen, den deutschen Diskurs um die richtige europäische Nahostpolitik differenzierter, seriöser und in der notwendigen historischen Einbet-tung der aktuellen Ereignisse zu führen. Unsere Anliegen sind palästinensische Selbstbestim-mung und Staatlichkeit, die Verwirklichung der Menschenrechte der Palästinenser auf der einen Seite, auf der anderen die sichere Existenz Israels im Bewußtsein der besonderen Verantwortung Deutschlands für das Lebensrecht Israels. Dem ist die dialogorientierte Projektarbeit der Friedrich-Naumann-Stiftung in Israel und in den palästinensischen Gebieten gewidmet.
Der Nahostkonflikt ist von der Shoah geprägt - auch deshalb stehen wir gegenüber Israel in einer besonderen Verantwortung. Die deutsch-jüdische Beziehungsebene hat sich mit der deutsch-israelischen Beziehungsebene unauflösbar verknüpft. Es darf in der öffentlichen Debatte nicht länger nur ein einseitig parteiisches pro oder contra geben, ein simplifizierendes Denken in Täter-Opfer-Bildern, eine einfache Zuweisung von Schuld oder Unschuld. Wir müssen in Deutschland hierüber verantwortlich streiten lernen und uns bewußt sein, dass in Europa - fern dem Krisenherd - oft leichtfertig eine paternalistische Perspektive eingenommen wird.
Die Ängste der Juden Israels sind die Ängste der Juden in Deutschland. Einseitige öffentliche Ausfälle gegen Israel betreffen nicht nur das deutsch-israelische Verhältnis, sondern schlagen in Deutschland auf das deutsch-jüdische Verhältnis durch. Eine verantwortlich geführte Debatte um Nahostpolitik darf deutsche Juden nicht in Haftung für das Vorgehen Israels gegen die Palästinenser nehmen. Aus jüdischer Sicht drücken sich darin latent vorhandene, antisemitische Gefühle aus. Das wollen wir ernst nehmen.
Wir sind uns bewußt, dass in Deutschland alte antijüdische Stereotypen sowie anti-zionistische Einstellungen vorhanden sind und dass es jenseits eines manifesten Antisemitismus bürgerliche Grauzonen des latenten Antisemitismus gibt, denen unsere Aufmerksamkeit und Bemühungen um Aufklärung, Differenzierung und Dialog gelten müssen. Während die extremistischen, die mit dem Tabu provozierenden, gar die rassistisch empfindenden Antisemiten zu ächten sind, muß es einen klärenden Diskurs um Antisemitismen in der religiösen und geistesgeschichtlichen Tradition Europas geben, die unser kulturelles Erbe sind.
Der Vorwurf des Antisemitismus wiegt schwer. Der im Meinungskampf fahrlässig unscharf erhobene Vorwurf des Antisemitismus droht den Begriff zu entleeren und zu trivialisieren. Auch im Interesse einer präzisen Auseinandersetzung mit dem Phänomen Antisemitismus ist dieses präzise zu beschreiben. Hieran fehlt es in der aktuell aufgeheizten Situation, in der sich Unsensibilität, diffamierende Absicht und Unkenntnis mit antisemitisch unterlegten Tönen mischen. Diese Situation ist unerträglich.
Im Interesse der politischen Kultur wie des internationalen Ansehens unseres Landes, im Interesse der außenpolitischen Handlungsfähigkeit der deutschen Politik, im Interesse eines selbstverständlichen Zusammenlebens der Juden, Christen und Muslime Deutschlands will die Friedrich-Naumann-Stiftung zu einem öffentlichen, keine Mißverständnisse duldenden Diskurs beitragen: Für Deutschlands bleibende historische Verantwortung, für Demokratie und regionale Integration als Grundpfeiler einer nahöstlichen Friedensordnung, für eine deutsche Debatte und Politik, welche die Konfliktpartner nicht durch öffentliche Schelte abschreckt, sondern sie für unsere Vorstellungen einer gerechten Friedensordnung im Nahen Osten zu gewinnen sucht. Vor allem gilt unsere Aufmerksamkeit und Verantwortung der Fragilität und Besonderheit jüdischen Lebens in Deutschland. Dann können wir daneben auch wieder zum Diskurs über die drängenden Fragen der politischen Agenda unseres Landes zurückkehren.
Ignatz Bubis soll in seiner uns hinterlassenen Mahnung nicht recht behalten: "Zum guten Ton gehört es noch, nicht Antisemit zu sein, aber man geniert sich nicht mehr, sich antisemitisch zu äußern. Dieses Tabu ist gefallen." Die gesamte Arbeit der Friedrich-Naumann-Stiftung stellt sich solchen Tendenzen weltweit und mit größter Entschiedenheit entgegen.
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