Verwaltungsrat der AOK Baden-Württemberg kritisiert Finanzierungsgesetz
Stuttgart (ots)
Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung gefährdet
Der Verwaltungsrat der AOK Baden-Württemberg hat sich deutlich gegen das geplante GKV-Finanzstabilisierungsgesetz aus dem Bundesministerium für Gesundheit ausgesprochen. Die Pläne von Bundesminister Karl Lauterbach (SPD) würden die Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung massiv gefährden und die Beitragszahlenden einseitig stark belasten. Zudem sei keine langfristige Perspektive für eine nachhaltige und sozialgerechte Finanzierung erkennbar, bemängelt das Gremium in seiner heutigen Sitzung in Karlsruhe.
"Der vorgestellte Entwurf zielt in die völlig falsche Richtung und sieht eine überproportionale Belastung von Versicherten und deren Arbeitgeber vor. Während die Beitragszahlenden die finanzielle Hauptlast des Gesetzespakets tragen sollen, bleiben dringend benötigte strukturelle Reformen vollständig außen vor. Damit wird die langfristige finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung schon auf kurzer Strecke aufs Spiel gesetzt", kritisiert Peer-Michael Dick, alternierender Vorsitzender des Verwaltungsrates auf Arbeitgeberseite. Mit dem Gesetz soll die Finanzierungslücke bei der GKV, die im kommenden Jahr auf rund 17 Milliarden Euro geschätzt wird, geschlossen werden. Vorgesehen ist unter anderem, den Zusatzbeitrag anzuheben, Rücklagen aus dem Gesundheitsfonds sowie der Krankenkassen auf das absolute Minimum herabzusetzen und der GKV ein Darlehen des Bundes zur Verfügung zu stellen.
"Die vom Minister dargestellten Maßnahmen sind ein Tropfen auf dem heißen Stein und helfen nicht, eine solide und nachhaltige Finanzierung sicherzustellen. Durch die teure und verfehlte Gesetzgebung der letzten Legislatur stehen die Kassen vor enormen Herausforderungen, die weder sie noch die Beitragszahlenden herbeigeführt haben. Im Schatten steigender Inflation, höherer Gas- und Strompreise sowie teurerer Lebensmittelpreise die finanzielle Belastung hauptsächlich auf die Versicherten und die Arbeitgeber abzuwälzen, ist schlicht zynisch und sozial ungerecht", ergänzt Monika Lersmacher, alternierende Vorsitzende des Verwaltungsrates auf Versichertenseite. Mit der vorgesehenen kurzfristigen Finanzspritze würden die drängenden strukturellen Probleme in keiner Weise angegangen und weitere Beitragserhöhungen und damit Belastungen in den Folgejahren notwendig werden.
Deutliche Kritik übt der Verwaltungsrat der AOK Baden-Württemberg vor allem am Abbau der ohnehin schon stark belasteten Finanzreserven bei den Krankenkassen und der Entnahme von Mitteln aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds. "Mit dem Eingriff in die Finanzreserven der Krankenkassen wird die Finanzautonomie der sozialen Selbstverwaltung in völlig verfehlter Art und Weise massiv missachtet und ausgehöhlt", unterstreicht Dick. "Damit wird den Krankenkassen der Gestaltungsspielraum für nachhaltige Investitionen in eine qualitativ hochwertige Versorgung genommen. Auch eine vorausschauende und solide Haushaltsführung ist für die gesetzlichen Krankenkassen unter diesen Umständen nicht möglich." Das Gesetz unterlaufe Anstrengungen der GKV nachhaltig und vorausschauend zu wirtschaften und im Sinne ihrer Versicherten zu investieren. Die AOK Baden-Württemberg erwarte eine finanzielle Belastung im mittleren dreistelligen Millionenbereich. Hinzu komme die Belastung der Beitragszahlenden durch die geplante Anhebung des Zusatzbeitragssatzes um 0,3 Prozent.
"Das Solidarsystem der GKV ist durch diesen Gesetzesentwurf massiv in Gefahr", warnt Lersmacher, "die Reduzierung der Finanzreserven hat enorme negative Folgen für die finanzielle Stabilität der Kassen und mit dem Bundesdarlehen wird zusätzlich eine Verschuldung der GKV forciert. Das kann nicht im Interesse der Gesellschaft, der Wirtschaft und der Politik sein. Die seit Jahrzehnten bewährte Sozialpartnerschaft steht vor einer ungewissen Zukunft."
Anstatt die GKV-Mitglieder und ihre Arbeitgeber für die ausgabenintensive Gesetzgebung der vergangenen Jahre zur Kasse zu bitten, erneuert der Verwaltungsrat der AOK Baden-Württemberg seine Forderung nach nachhaltigen Strukturreformen. Vorschläge wurden von den Ampel-Parteien selbst im Koalitionsvertrag aufgenommen: eine Anhebung der Beitragszahlungen der Bundesagentur für Versicherte, die ALG-II beziehen sowie eine regelhafte Dynamisierung des Bundeszuschusses für Leistungen, die Krankenkassen für die Allgemeinheit erbringen. Gleichzeitig fordert das Gremium, die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel auf 7 Prozent abzusenken. Diese Maßnahmen hätten langfristige, stabilisierende Auswirkungen auf die finanzielle Situation der GKV und würden den sozialen Frieden in Deutschland sicherstellen, der in hohem Maße von einem funktionierenden Gesundheitswesen und damit auch von der Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Krankenkassen abhänge.
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