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Berliner Morgenpost: Wir brauchen Brücken über den Atlantik - Kommentar

Berlin (ots)

Nie seit dem Krieg war die Stimmung gegenüber
Amerika so mies in Deutschland wie in den letzten Jahren der 
Präsidentschaft von George W. Bush. Dessen kriegerische Rhetorik, 
missionarischer Eifer und Selbstgerechtigkeit haben die Deutschen 
derart verstört, dass nur noch knapp ein Drittel eine positive 
Meinung von der westlichen Führungsnation hatte. In keinem anderen 
Land Europas hat die Ära Bush dem Image der USA so sehr geschadet wie
in Deutschland. Es ist also höchste Zeit, die Bande gegenüber Amerika
wieder zu stärken. Und damit das Land als verlässlichen Freund und 
gleich gesinnten Partner neu zu entdecken, dem wir den Wiederaufbau 
nach verlorenem Krieg, Schutz und Frieden während der 
Ost-West-Konfrontation und schließlich die Wiedervereinigung 
vorrangig zu verdanken haben. Barack Obama öffnet die Tür.
Das ist dringlich, weil die deutsch-amerikanischen Beziehungen - und 
übergeordnet die zwischen Europa und den USA - weit mehr sind als nur
partnerschaftliche in politischen, wirtschaftlichen und militärischen
Angelegenheiten. Es ist vor allem die gemeinsame Wertegemeinschaft, 
der Glaube an Freiheit, Demokratie und Toleranz, für die der Westen 
mit Amerika an der Spitze in dieser unverändert unfriedlichen Welt 
steht. Wird die Führungsmacht selbst unglaubwürdig, schwächt sie 
Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft des gesamten Westens. Darunter 
hat die transatlantische Wertegemeinschaft in den vergangenen Jahren 
gelitten.
Amerika habe keinen besseren Partner als Europa, rief Barack Obama im
Sommer Hunderttausenden begeisterten Menschen in Berlin zu und 
versprach, neue Brücken zu bauen. Auf dieses neue Miteinander hoffen 
die Europäer zu Recht. Und sie erwarten, dass über solche Viadukte 
nicht nur die Beziehungen über den Atlantik, sondern auch die gen 
Osten wieder intensiviert werden. Ein zur Überheblichkeit neigendes 
Amerika auf der einen und ein sich weltpolitisch nicht ernst genommen
fühlendes Russland kann Europa mittendrin nicht behagen. Im Interesse
der Europäer liegt deshalb ein respektvollerer Umgang als bislang 
auch zwischen Washington und Moskau. Aber auch hier gilt: Beide 
Seiten müssen sich bemühen. Der um Stärkenachweis nach Innen bemühte 
russische Präsident Dmitrij Medwedjew scheint diese diplomatische 
Grundlektion nicht befolgen zu wollen. Seine Ankündigung just am Tag 
von Obamas Wahlsieg, Kurzstreckenraketen in der Region Königsberg 
(Kaliningrad) an der polnischen Grenze zu stationieren, ist höchst 
unklug. Damit zwingt er Obama geradezu zu einer scharfen Reaktion, 
selbst für den Fall, dass der den US-Raketenschirm am Ostrand der 
Nato für nicht sehr sinnvoll und deshalb für wieder abrüstbar hält.
Da sind Obamas europäische Freunde weitaus einfühlsamer. Schon in der
nächsten Woche will ihm die EU ein Strategiepapier zu den 
transatlantischen Beziehungen mit entsprechenden Wünschen übergeben. 
So sieht ein vertrauensvoller Umgang aus. Der verlangt allerdings 
auch, dass - wenn es ernst wird - die Verantwortung gerecht verteilt 
wird. Wer mitentscheiden will, muss auch die damit verbundenen Lasten
schultern. Das sollte die Freude über den Amtswechsel in Washington 
aber nicht gleich wieder trüben.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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