Berliner Morgenpost: Führungsschwache SPD weckt neue Zweifel - Kommentar
Berlin (ots)
Das ist fast provozierend, wenn ausgerechnet der Chef der SPD-Bundestagsfraktion Peter Struck auf die Frage nach der größten Schwäche der Bundeskanzlerin dieser Tage Angela Merkel Führungsschwäche attestiert. Die Attacke ist ein untaugliches Ablenkungsmanöver. Für jedermann sichtbar führungsschwach zeigt sich seit Wochen die neue SPD-Führungstroika Müntefering (Parteivorsitz), Steinmeier (Kanzlerkandidat) und Struck (Fraktionschef). Mal verweigern ihnen die Fraktion, mal Frau Ypsilanti, und dann auch noch die Parteifreunde in gleich mehreren Landesregierungen die Gefolgschaft. Nach glaubwürdigem Neuanfang, nach starker Führung sieht das nicht aus. Alles fing mit Hessen an. Weil sich Andrea Ypsilanti selbst gegenüber der Berliner Parteizentrale als völlig beratungsresistent erwies, verspielte sie dilettantisch alle Chancen, aus ihrem vermeintlichen Wahlerfolg politisches Kapital auch für die gesamte Partei zu schlagen. Das Hessen-Drama endete gestern für die SPD mit dem GAU der Neuwahl; Resignation statt Aufbruch. Hält sich der Gesichtsverlust für die Berliner Parteiführung angesichts der Starrköpfigkeit von Frau Ypsilanti noch in Grenzen, ist sie in zumindest drei anderen Fällen aus den eigenen Reihen geradezu vorgeführt worden. Erst hat es insbesondere den Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier getroffen, als die SPD eine im Koalitionsausschuss schon abgesegnete Vereinbarung mit der CDU/CSU über einen erweiterten Einsatz der Bundeswehr im Innern widerrufen musste. Nur ein paar Tage später verweigerte die Bundestagsfraktion ihrer Führung die Gefolgschaft, als sie die Pläne für eine längere Aussetzung der Kfz-Steuer zur Belebung des Neuwagenverkaufs verwarf. Vorläufiger Höhepunkt des Auseinanderdriftens zwischen der Berliner Parteispitze einerseits, Fraktion und SPD-Landesebene andererseits ist der Umgang mit dem BKA-Gesetz. Von der Bundesregierung ausgehandelt und beschlossen, von den Koalitionsfraktionen schon mit einigen SPD-Gegenstimmen parlamentarisch verabschiedet, wird es nun im Bundesrat am Widerstand der Länder, in denen die SPD mitregiert, vorerst scheitern. Ein Land nach dem anderen, von Schleswig-Holstein über Sachsen und Berlin bis Rheinland-Pfalz verweigert die Zustimmung. Die SPD scheint nicht auf dem Weg voran zu neuer Einigkeit, sondern zurück zur Unberechenbarkeit, zur Beliebigkeit, wo fast jeder machen kann was er will. Führungsstärke? Die neue Troika hat die in sie gesetzten Hoffnungen und Erwartungen bislang nicht erfüllt. In Anbetracht der mangelnden Durchsetzungskraft von Müntefering, Steinmeier und Struck drängt sich erneut eine Frage auf: Wie glaubwürdig sind ihre Versprechungen noch, im Bund 2009 nicht mit der Linkspartei zu koalieren? Wer Partei und Fraktion nicht im Griff hat, weckt Zweifel.
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