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Berliner Morgenpost: Elektroautos sind nicht Aufgabe des Staates - Leitartikel

Berlin (ots)

Kaum hat die Abwrackprämie ihre ökonomisch höchst
umstrittene, wahlkampftechnisch dagegen erfolgreiche Wirkung als 
Krisen-Puffer gezeitigt, lockt der Staat schon mit der nächsten 
ordnungspolitischen Sünde: mit der Elektroprämie. 2011/12 soll, so 
beschloss gestern die Bundesregierung, über ein Marktanreizprogramm 
für Elektroautos entschieden werden. Von einem Zuschuss bis zu 5000 
Euro ist bereits die Rede, um das erste Zwischenziel zum 
umweltfreundlichen, lautlosen Automobil zu erreichen. Bis 2020 sollen
nämlich nach den Vorgaben der Koalition eine Million mit Strom 
angetriebene Fahrzeuge auf deutschen Straßen rollen. Auch wenn das 
nicht viel ist angesichts von derzeit rund 41 Millionen zugelassener 
Pkws, klingt das schon wieder verdächtig nach Planwirtschaft.
Richtig allerdings bleibt, dass die Entwicklung umweltschonender 
Antriebe wie der Elektrotechnik auch in Deutschland endlich 
entschlossener vorangetrieben werden muss. Das allerdings ist in 
erster Linie Aufgabe der Auto-, Batterie- und Energieindustrie - und 
nicht des Staates. Der sollte allenfalls flankierend helfen, die 
Grundlagenforschung für eine langlebige sichere Batterietechnologie 
zu fördern, wie dies jetzt mit der Einrichtung von zwei Lehrstühlen 
für Elektrochemie in Münster und an der Berliner TU geschieht. Der 
Aufholbedarf insbesondere gegenüber Japan und mittlerweile auch China
ist enorm. Die sind zwar auch noch nicht am Ziel, aber dank ihrer 
Erfahrung mit der batteriegetriebenen Versorgung etwa von Laptops 
viel weiter. Kein Zufall, dass der Hybridantrieb (Kombination aus 
Verbrennungsmotor und Elektroantrieb) in Japan serienreif ist.
Wie lang der Weg in Deutschland noch ist, lässt Europas größter 
Autohersteller Volkswagen durchblicken. Frühestens ab 2013 kann VW 
ein bezahlbares Elektroauto mit einer vernünftigen Reichweite von 
etwa 150 Kilometern auf den Markt bringen. Bis dahin ist noch viel 
Geduld und Erfindergeist nötig, um die gravierendsten Probleme zu 
lösen. Zu denen gehören Langlebigkeit der Batterien, ihre Sicherheit 
(keine Explosion durch Heißlaufen wie bei Computern geschehen), 
international gültige Normen, akzeptable Ladezeit und eine 
Infrastruktur für "Elektrotankstellen".
Angesichts all dessen sind die gestern vom Kabinett verkündeten 
Planzahlen mit großer Skepsis zu bewerten. Immerhin hat sich die 
große Koalition kurz vor Toresschluss noch zu einem Kompromiss 
durchgerungen. Wohl auch in der Hoffnung, ein Pünktchen bei dem einen
oder anderen Wähler zu machen. Doch der sollte sich auch nicht 
täuschen lassen, wenn etwa Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) schon 
frohlockt, die künftigen Elektroautos würden mit erneuerbarer Energie
fahren. Sicher ist allein, dass E-Autos sehr viel zusätzlichen Strom 
verbrauchen. Eher unwahrscheinlich, dass der auch noch aus Wind und 
Biogasen kommt. Gabriel sollte, wenn er es ernst meint mit dem 
Elektroauto, den Atomstrom nicht länger voreilig verteufeln. Sonst 
kommt sein Batteriegefährt noch länger nicht voran.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

Original-Content von: BERLINER MORGENPOST, übermittelt durch news aktuell

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