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BERLINER MORGENPOST

Berliner Morgenpost: Die Unabhängigkeit muss geschützt werden - Leitartikel

Berlin (ots)

Die Mutter aller öffentlichen-rechtlichen
Rundfunkanstalten ist die BBC. Der britische Sender, 1922 als 
privates Wirtschaftsunternehmen gegründet, wurde 1927 in den Dienst 
der Öffentlichkeit gestellt. Das Programm sollte ebenso staats- wie 
wirtschaftsfern entstehen; gesellschaftliche Mächte durften mitreden,
aber nicht allein entscheiden.
Weil das Gleichschalten der Massenmedien ein entscheidender Schritt 
zur allumfassenden Macht der Nationalsozialisten war, bekam die 
unsichere junge Bundesrepublik von den Alliierten das bewährte 
öffentlich-rechtliche BBC-Modell für den Rundfunk verordnet; 
privatwirtschaftlich organisierte Verlage boten wie gewohnt Zeitungen
und Zeitschriften an.
Mit den Jahren machten sich die Parteien ARD und ZDF zur Beute. Der 
gesellschaftliche Auftrag inhaltlicher Ausgewogenheit mutierte zum 
Proporzdenken in den Sendern, aus Balance wurde Beton: Posten wurden 
nicht immer nach Qualifikation besetzt, aber durchweg nach 
politischem Bekenntnis.
Dennoch hat sich das öffentlich-rechtliche System bewährt, es 
überstand sogar das Aufkommen privater TV- und Radioanbieter. 
BR-Intendant Gruber, ZDF-Chefredakteur Brender und manch andere 
beweisen, dass journalistische Unabhängigkeit trotz gelegentlicher 
Anrufe aus Staatskanzleien möglich ist. Brender bat in derlei 
Telefonaten immer um schriftliche Eingabe - damit hatte sich das 
Anliegen stets erledigt. Mögen viele öffentlich-rechtliche 
Würdenträger politisch zu verorten sein, so reicht ihr Querkopf doch,
um dem gesetzlichen Auftrag nachzukommen.
Ausgerechnet Brender, der in der Elefantenrunde 2005 den 
Wahlverlierer Schröder so virtuos piesackte, soll in dieser Woche nun
vom unionsdominierten Verwaltungsrat des ZDF aus dem Amt gehoben 
werden. Der hessische Ministerpräsident Koch will schon seit Beginn 
des Jahres verhindern, dass Brenders Vertrag verlängert wird, 
ausgerechnet ein Landesregent, dessen Ergebnisse sich seit drei 
Wahlen dramatisch verschlechterten.
Aus einer Personalie erwuchs zuerst ein Machtkampf, den die Akteure 
über die Bundestagswahl hinauszögerten. Inzwischen ist die Causa 
Brender zum Grundsatzkonflikt darüber angeschwollen, inwieweit die 
Politik sich in die Personalhoheit des ZDF-Intendanten Schächter 
einmischen darf. Wer entscheidet am Ende? Die Politik? Oder der 
Senderchef?
In einem bislang einmaligen Appell mahnten am Wochenende 35 
renommierte Staatsrechtler, die "beabsichtigte politische 
Einflussnahme" zu unterlassen. Längst geht es nicht mehr um Brender, 
sondern um die Grundsätze der Demokratie. Ausgerechnet in Zeiten, da 
Verlage und Sender und damit die journalistische Qualität unter 
massivem Druck stehen, muss das hohe Gut der Unabhängigkeit um so 
entschiedener geschützt werden, ganz gleich, ob es um rote, schwarze,
gelbe oder grüne Posten geht. Es geht um die fundamentale Frage, ob 
tagespolitische Spielereien die Erosion der Demokratie verschärfen 
dürfen.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

Original-Content von: BERLINER MORGENPOST, übermittelt durch news aktuell

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