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Berliner Morgenpost: Vom Hoffnungsträger zum Tiefflieger - Leitartikel

Berlin (ots)

Die FDP, keine Frage, hat als Regierungspartei
einen Fehlstart sondergleichen hingelegt. Der Absturz von der Partei 
der Hoffnungsträger zum Tiefflieger der Nation ist derart heftig, 
dass allmählich sogar die SPD Mitleid bekommt, und das will ja was 
heißen in diesen Zeiten. Die Frage, wie es zu diesem blaugelben 
Debakel kommen konnte, wird also zu stellen sein heute in der 
Sondersitzung des FDP-Präsidiums, die natürlich keine Krisensitzung 
ist, natürlich nicht.
Fakt ist, dass die Liberalen zu ihren früheren Regierungszeiten im 
Bund immer wieder und äußerst knapp am Abgrund balancierten und aus 
den Landtagen flogen, dass es für die Konkurrenz nur so eine Freude 
war. Jeder Wahlabend geriet damals zur Zitterpartie längs der 
Fünf-Prozent-Grenze. Dabei waren die politischen Verhältnisse damals 
noch vergleichsweise stabil, die Wähler ausgesprochen treu und 
Achterbahnfahrten auf der Prozentskala eher die Ausnahme. Das alles 
hat sich mittlerweile verändert, weshalb die FDP sehr gut daran täte,
die für sie katastrophalen Umfrageergebnisse sehr ernst zu nehmen. 
Rund sechs Prozent weisen die Meinungsforscher derzeit für die 
nordrhein-westfälische Sektion der Liberalen aus. Es könnte ein sehr 
bitterer Wahlsonntag werden im Mai für eine Partei, die sich vor drei
Monaten noch auf dem politischen Olymp wähnte.
Damals, auch das ist inzwischen hinreichend klar, hat die FDP 
inhaltlich wie personell die Weichen nicht sorgfältig genug gestellt 
für eine erfolgreiche Regierungszeit. Mit ihrem früheren 
Generalsekretär Niebel hat sie einen Mann ins 
Entwicklungshilfeministerium befördert, dessen diplomatisches 
Fingerspitzengefühl nicht ausreicht für diesen eher filigrane Finesse
als bullige Bollerigkeit fordernden Posten. Niebel ist die perfekte 
Zielscheibe für glaubwürdigen oppositionellen Spott. Auch die 
Besetzung des Wirtschaftsministeriums gelang mit dem Dauerkandidaten 
Brüderle nicht überzeugend. Zumindest in der Union traut man dem 
Rheinland-Pfälzer nicht zu, die Prioritäten angemessen zu setzen. 
Norddeutschlands Unionsministerpräsidenten jedenfalls wendeten sich 
in dieser Woche lieber gleich direkt an die Kanzlerin, um zu 
vermeiden, dass der Weinbau in Berlin vielleicht wichtiger genommen 
werde als die Handelsschifffahrt, wie es die Runde spitz formulierte.
Einmal auf der Rutschbahn, haben mittlerweile auch die liberalen 
Hoffnungsträger Westerwelle und Rösler ordentlich zu kämpfen. Diese 
beiden waren es ja, die den Berliner Kabinettssaal mit den 
weitestgehenden Ambitionen betreten haben. Westerwelle, qua 
Parteivorsitz und Vorgeschichte, als Garant einer den Bürger von 
staatlicher Drangsal befreienden Steuerreform - deren 
Anschubfinanzierung sich derzeit allerdings niemand leisten kann. 
Rösler, der mit forschem Auftritt die Erwartungen so hoch schraubt, 
dass er ihnen im Leben nicht wird gerecht werden können. 
Steuerpolitik wie Gesundheitspolitik gehen nicht hoppla-hopp, es sind
eher mühsam zu bearbeitende Felder. Die FDP macht derzeit nicht den 
Eindruck, als wäre sie für diese Arbeit der geeignete Verein.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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