BERLINER MORGENPOST: Kitas müssen Priorität der Politik bleiben - Leitartikel
Berlin (ots)
Wenn Roland Koch bei der Bildung sparen will, möchte man ihm sagen: Nur zu! Bildung ist Ländersache - und es ist nicht zuletzt auf das politische Gewicht des hessischen Ministerpräsidenten zurückzuführen, dass in der Föderalismuskommission die Bildungshoheit der Länder gegen den vielfachen Wunsch nach bundeseinheitlicheren Strukturen sogar gestärkt worden ist. Soll der Christdemokrat doch einfach die Klassenfrequenzen in Kassel oder Offenbach erhöhen und das seinen Wählern im Lande als gebotenes Ansparen gegen die Krise verkaufen. Auch könnte er aufhören, schlechter bezahlte Berliner Lehrer mit dem teuren Beamtenstatus abzuwerben. Und wenn sein Mitstreiter Stefan Mappus aus Baden-Württemberg den Unis in Heidelberg oder Karlsruhe die Zuwendungen kürzen möchte, darf er das gern in seinem eigenen Landtag durchsetzen. Es ist erstaunlich, wie die CDU-Landesfürsten ein noch vor Kurzem zur absoluten Priorität erklärtes Zukunftsthema ebenso behandeln wollen wie Subventionen für die Steinkohle, unnütze Arbeitsmarktprogramme, Besitzstände von Staatsdienern oder Steuergeschenke für Häuslebauer und Pendler. Man wird den Verdacht nicht los, dass es hier eher darum geht, den ungeliebten neuen familienpolitischen Kurs der CDU, zu dem der Ausbau der Kinderbetreuung gehört, zu hintertreiben. Dabei wäre gerade hier mehr Einheitlichkeit geboten. Es ist schwer vermittelbar, warum ein Durchschnittsverdiener in einer finanzschwachen Stadt wie Bremen 1700 Euro für einen Halbtags-Kita-Platz zahlen muss, während anderswo die gleiche Leistung komplett gratis angeboten wird. Aber wenn sich in Deutschland jetzt endlich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass Kita und Krippe die wichtigsten Bildungseinrichtungen gerade für Kinder aus der Unterschicht darstellen, sind solche Unterschiede nach kommunaler Kassenlage nicht zu vermitteln. Natürlich müsste eine Kindertagesbetreuung für Gutverdiener nicht kostenlos sein, wie das in Berlin jetzt Schritt für Schritt eingeführt wird. Ist es sinnvoll, wenn ausgerechnet Familien mit 80.000 Euro Jahreseinkommen in der aktuellen Schulden- und Finanzkrise 3000 Euro weniger in die öffentlichen Kassen abführen? Das ist jedoch eine Frage der Finanzierbarkeit in schlechten Zeiten. Grundsätzlich ist es richtig, die Basisbildung in der frühen Kindheit für alle gratis anzubieten, damit alle vergleichbare Lebenschancen haben. Deutschland hat gegenüber anderen Industriestaaten Nachholbedarf in der frühkindlichen Bildung. Wenn der Bund nicht in die Schulpolitik eingreifen darf, muss er sich wenigstens bei den von den Kommunen finanzierten Kitas engagieren. Dennoch: Für die meisten Familien ist nicht der Preis einer Kita, sondern die Verfügbarkeit von Plätzen entscheidend. Und da leben die Ostdeutschen, die höhere Gebühren zahlen, verglichen mit anderen Ländern im Kita-Schlaraffenland.
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