BERLINER MORGENPOST: Die Welt kann nicht helfen
Leitartikel von Jochim Stoltenberg
Berlin (ots)
Wie einst auf dem Balkan zeigen sich die Vereinten Nationen (UN) auch auf dem syrischen Kriegsschauplatz als zahnloser Tiger. So unfähig zum Handeln und Frieden stiften, dass selbst ihr früherer Generalsekretär Kofi Annan als Sondervermittler resigniert seine Mission für gescheitert erklärt. Wer, wenn nicht er mit seiner Erfahrung, seinem Charisma und diplomatischen Geschick hätte eine realistische Chance haben können, das Blutvergießen zu stoppen? Sein Scheitern dokumentiert die ganze Hoffnungslosigkeit am derzeit heißesten Brandherd im Nahen Osten. Der ist völlig außer Kontrolle geraten. An allen Fronten: an der kriegerischen zwischen dem Assad-Regime und den Aufständischen ebenso wie an der diplomatischen in New York. Dort kann sich die Weltgemeinschaft auf keinen gemeinsamen Widerstand gegen Assads Kriegsmaschinerie verständigen. Russland und China als zwei der fünf Veto-Mächte im UN-Sicherheitsrat blockieren wirksame Sanktionen. Moskau aus Loyalität zu Assad als dem einzigen in Nahost verbliebenen Verbündeten, Peking ohne erkennbar wichtiges Eigeninteresse. Sie sind mitverantwortlich, dass Kofi Annan aufgegeben hat. Im Lande selbst hat sich der Kampf um Sein oder Ende des Assad-Regimes zu einem Religionskrieg verschärft, in dem für Vernunft und Kompromiss kein Platz ist. Und dieser Glaubenskrieg, in dem die Sunniten als unterprivilegierte Mehrheit im Lande auf Sturz und Rache an Assad sinnen, dessen Herrschaftssystem sich auf die Minderheit der Alawiten stützt, hat die nationalen Grenzen längst gesprengt. Syrien ist zum Kampfplatz auch für Gotteskrieger von den einschlägig bekannten Fronten Afghanistans, Tschetscheniens oder Pakistans geworden. Das macht noch weniger Hoffnung auf eine friedliche, menschenwürdige Zukunft einer Nach-Assad-Ära. Es ist nicht schwer zu begreifen, dass angesichts dieser Lage, in der selbst Amerika nicht recht weiß, wen es unterstützen soll, die Einflussmöglichkeiten für einen deutschen Außenminister gegen null tendieren. Wenn Guido Westerwelle dennoch eine Taskforce Syrien einsetzt mit dem Ziel, eine demokratische Entwicklung nach dem Sturz Assads vorzubereiten, dann ist das - wohlwollend formuliert - gut gemeint, realpolitisch allerdings völlig naiv. Ebenso wie der Glaube im Berliner Auswärtigen Amt, der syrischen Exil-Opposition wachse nach einem Sieg der Aufständischen bei Befriedung und Wiederaufbau des Landes eine entscheidende Rolle zu. Da künden sich ähnlich blamable Fehleinschätzungen an wie 2011 bei der Weigerung Deutschlands, die Flugverbotszone gegen Gaddafis Libyen mitzutragen, oder beim Kairoer Tahrir-Aufstand. Aus dem "ägyptischen Frühling", dem Westerwelle mit Rat und Tat zum Dauerblühen verhelfen wollte, ist nichts geworden. Auch nach drei Jahren im Amt mangelt es Deutschlands Außenminister an internationalem Respekt. Und er irrt schon wieder, wenn er hofft, diesen ausgerechnet in und um Syrien zu erhaschen.
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